Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
winzigen, dünnen, elektrisch geladenen Draht einzelne Hirnnerven zu verschmoren. Dabei zuckten einige Hirnfelder wie wild und schienen aus ihren Verschlingungen zu springen.
    »Ich bin gekommen, um dir zu sagen, daß ich bleibe«, sagte Dr. Keller laut. Die Augen Kamphusens glotzten ihn über den Mundschutz starr an. Fischaugen …
    »Ich nehme es zur Kenntnis.« Dorians Stimme war nüchtern wie immer. »Wasch dich und mach mit.« Dorian wandte schnell den Kopf zur Seite und legte den Koagulationsdraht weg. »Ich will Adams tierische Wildheit in ein ruhiges menschliches Verhalten umwandeln. Es wird ebenso gelingen wie damals bei Johann, der singen konnte.«
    Dr. Keller trat vom OP-Tisch zurück, krempelte die Hemdsärmel hoch und begann sich zu waschen und abzuschrubben. Er hat mich wieder geduzt, dachte er. War es ein Ausrutscher in die alte Zeit, oder war es das versteckte Zeichen, daß auch er froh ist, mich wiederzusehen? Wer kann in den Dickschädel Dorians hineinsehen?
    Nach fünfzehn Minuten trat Dr. Keller wieder an den Tisch, operationssteril wie in einem menschlichen OP. Professor Dorian nickte ihm zu und hob die Hand.
    »Kamphusen, kommen Sie neben mich. Keller übernimmt die erste Assistenz.«
    Schweigend räumte Kamphusen seinen Platz für Keller. Aber als sie aneinander vorbeigingen, blitzten sich ihre Augen an.
    Der bedingungslose Kampf hatte begonnen.
    Am Abend, als Dr. Keller erschöpft in sein Zimmer kam, saß Angela auf der Couch und las in einem Magazin. Das Radio lief leise. Tanzmusik. Angela sah fremd aus. Sie trug ein grellbuntes Minikleid, hatte sich geschminkt und die Haare anders frisiert. Im Nacken trug sie eine große Rosette aus Blumen. Sie legte sich zurück, als Keller ins Zimmer kam, schlug die Beine übereinander und wippte mit den Zehen. Es sah frivol und doch hübsch aus.
    »Was ist los?« fragte Dr. Keller belustigt und zog seinen weißen Arztkittel aus. »Du verschaffst mir ein völlig neues Angela-Gefühl. Aber irgendwo stimmt der Kalender nicht – Karneval ist erst nächstes Jahr.«
    »So werde ich ab heute immer aussehen.« Angelas Stimme war weder aggressiv noch angeheitert. Sie war völlig normal.
    »Aha!« sagte Dr. Keller und setzte sich in einen Sessel, Angela gegenüber. »Muß ich mir eine Beatle-Frisur wachsen lassen? Enge Hosen, die beim Hinsetzen fast platzen? Blümchen hinterm Ohr? Ausgetretene Latschen an den Füßen? Vierwochenbart, mit Suppenresten garniert?«
    »Dein Spott ist völlig fehl am Platze.« Angela legte das Magazin zur Seite. »Mir ist es Ernst.«
    »Verrückt!« rief Dr. Keller und knackte mit den Fingern.
    »Hör damit auf!« Angela fuhr empor. Ihre Stimme wurde etwas schrill. »Es ist nicht zum Lachen. Ich bin froh, daß wir jetzt allein sind, um uns alles zu sagen.« Ihre Hände verkrampften sich in die Seitenlehne der Couch. »Wir lieben uns … aber wir kennen uns nicht …«
    »So, wie du jetzt bist, bestimmt nicht.«
    »Aber so bin ich! Bitte, sieh mich an … so und nicht anders bin ich!« Angela sprang auf und drehte sich in dem grellbunten Minikleid. Sie sah entzückend aus, und doch für Dr. Keller fremd. »Ich bin ein Mädchen aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, das hast du nie bemerkt! Ich liebe Jazz und Beat, ich tanze für mein Leben gern, ich trage gern Minikleider, ich liebe Fröhlichkeit und lustige Menschen. Ich bin dreiundzwanzig Jahre alt!«
    »Das weiß ich«, sagte Dr. Keller etwas betroffen.
    »Du weißt es nicht!« Angela kniete sich auf die Couch. »Zehn Tage waren wir zusammen im Urlaub. Oh, es waren zehn glückliche Tage, wenn man die Augen zumacht! Die schöne Natur, Kulturdenkmäler, Museen, dreimal eine Oper, ein Freilichtspiel. Penthesilea von Kleist. Kutschfahrt mit Glöckchen durch den Schwarzwald. Forellenessen bei Kerzenlicht. Warum spielte man nicht Mozart dazu? Und dann die Nächte … sie waren wirklich Glück. Sie ließen alles vergessen, was fehlte, sie entschädigten. Aber ich will leben, nicht dauernd entschädigt werden. Verstehst du das, Bernd?«
    »Nein!« sagte Dr. Keller steif. Er wußte nicht, wie ihm geschah. Habe ich etwas falsch gemacht, dachte er. Es waren doch so schöne Tage … eine vorweggenommene Hochzeitsreise.
    »Du verstehst es nicht!« Durch Angelas schlanken Körper flog ein Zittern. »Haben wir in diesen zehn Tagen einmal miteinander getanzt?«
    »Nein …« sagte Keller stockend.
    »Haben wir uns benommen wie junge Leute? Vor Neid platzend habe ich die anderen jungen Paare

Weitere Kostenlose Bücher