Das Schloß der blauen Vögel
und Agathe aus dem Auto und vor der drohenden Betäubung flüchten konnten, drehte sich alles um sie, der Schatten riß die Tür wieder auf und drückte das Tuch fest gegen ihre Gesichter.
Auch Hombatz und Agathe erwachten in sauberen, weiß bezogenen Betten, waren nackt und gefesselt. Sie schrien um Hilfe, ihnen war übel, sie würgten und schnappten nach frischer Luft, ehe sie ihre Umwelt wieder klar erkennen konnten. Sie sahen an der anderen Wand noch ein Bett und einen Körper, der sich ruckartig und keuchend bewegte.
»Hallo!« rief Julius Hombatz mühsam. Jeder Atemzug schmeckte widerlich nach Äther. »Was soll das? Hallo!«
Autohändler Peltzer lag still. Er hob den Kopf und konnte zu den beiden anderen Betten hinübersehen.
»Endlich sind Sie wach!« rief er. »Hat man Sie auch überfallen? Mir hat man sechstausend Mark gestohlen!«
»Da haben sie bei mir wenig Glück gehabt. Ich bin ein armer Teufel.« Julius Hombatz atmete ein paarmal tief. »Sind Sie auch nackt und gefesselt?«
»Ja.«
»Was hat man mit uns vor?«
»Hilfe!« schrie in diesem Augenblick Agathe Vierholz schrill. »Hilfe!« Sie strampelte mit den Beinen, trat die Decke von sich und lag nackt im Dämmerlicht. Vor den Klappläden war es anscheinend heller Tag. Sonnenpfeile glitten durch die Ritzen des Holzes.
»Liebling.« Hombatz hob den Kopf. »Ich bin doch da! Sei still, Liebling! Ich bin hier …«
»Als ob das etwas hilft!« Peltzer wälzte sich auf die Seite, so konnte er besser sehen. »Hat bei Ihnen auch das rothaarige Weibsstück um Feuer gebeten?«
»Ich weiß von gar nichts mehr. Ich habe gerade meiner Braut etwas erzählt, als plötzlich –«
»Er hat Ätherlappen in den Wagen geworfen.« Agathe Vierholz zog die Beine an. Ihr ganzer Körper zitterte vor Angst. »Wo sind wir denn, Jul? Ich habe Angst. Hilfe. Hilfe!« Sie schrie wieder, grell, wie eine Sirene mit auf- und abschwellendem Ton. Aber niemand hörte sie, niemand kam.
Erst gegen Mittag änderte sich das.
Die Tür sprang auf, Sassner und Ilse Trapps kamen herein. Ilse trug ein Tablett mit kaltem Braten in den Händen. Ungläubig starrten Peltzer und Hombatz auf die rothaarige Frau, die völlig entkleidet, nur mit dem Schürzchen behängt, von Bett zu Bett ging und zunächst die Teller mit dem Essen abstellte. Die einzige, die reagierte, war Agathe Vierholz. »Binden Sie mich los!« brüllte sie. »Losbinden!«
Dann schwieg auch sie. Ihre Stimme brach ab. In der Tür stand ein Mann im weißen Arztkittel. Groß und breit füllte er den Türrahmen aus und betrachtete stumm die drei Betten.
»Wer … wer sind denn Sie?« stotterte Agathe Vierholz. »Ist das hier ein Krankenhaus? Oder eine Irrenanstalt? Nicht wahr … es ist eine …«
Ihre Augen wurden flehend. Irgendwo hatte sie einmal den Unsinn gelesen, daß man in Irrenhäusern die Kranken im Bett fesselt. So schrecklich es war, nun in einem solchen Bett zu liegen, so froh war sie, als sie den Arzt sah. Es wird sich alles aufklären, dachte sie hoffnungsvoll. Das kann nur ein Irrtum sein.
»Herr Doktor«, sagte sie, als Sassner sich nicht rührte. »Ich bin völlig gesund.«
»Das sagen alle, mein Fräulein.« Sassner kam in das Zimmer. Ilse Trapps ging hinaus und kam mit einer Bettpfanne und zwei gläsernen Uringläsern, ›Ente‹ genannt, zurück. Fragend sah sie auf Sassner. Markus Peltzer bekam einen roten Kopf.
»Darf ich fragen, wo wir hier sind?« rief er.
Sassner trat an das Bett des Autohändlers und schlug den Paß auf, den er aus Peltzers Tasche genommen hatte.
»Sie sind Markus Peltzer?«
»Ja. Darf ich fragen –«
»Fünfundfünfzig Jahre alt. Verheiratet.« Sassner klappte den Paß zu. »Sie sind krank.«
»Nein! Ich bin kerngesund! Herr Doktor …«
»Sie sind krank. Ich werde es Ihnen beweisen! Beantworten Sie mir ein paar Fragen! Wer war Kleopatra?«
»Eine ägyptische Königin.«
»Falsch. Kleopatra war die Stute des Hauptmanns von der dritten Kompanie. Wer war der junge Müller?«
Markus Peltzer sah hilflos um sich. »Das weiß ich nicht …« sagte er stockend. »Ist das so wichtig?«
»Ja!« Sassner wandte sich an Hombatz und Agathe Vierholz. »Wissen Sie es?«
Beide schüttelten den Kopf. Sassner verschränkte die Arme hinter dem Rücken. »Und Sie wollen nicht krank sein? Bei soviel Dummheit ist man krank! Der junge Müller ist der Sohn vom alten Müller, und das ist wichtig, denn ohne den alten Müller gäbe es den jungen Müller nicht.«
Sassner schwieg. Die
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