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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gestützt, und die Tränen rannen ihm über die Handgelenke die Arme hinunter. Wenn er an das leere Bett im Nebenraum dachte, hätte er schreien können. Der Anblick Magdas, wie sie in einem zarten Perlonnachthemd schon im Bett lag, wenn er aus dem Badezimmer kam, einen Packen Zeitungen unter dem Arm, die er noch vor dem Einschlafen durchblättern wollte, gehörte so fest zu seinem Leben, daß es unbegreiflich war, Magda nicht mehr dort auf den Kissen zu sehen.
    Den Kindern hatte er noch nichts gesagt. Thomas, der dreijährige, begriff es noch nicht … ihm wollte er sagen, daß Mutti ein Engel des lieben Gottes geworden sei. Aber Gabi, die Siebenjährige, wußte schon, was Tod ist. Sie hatte erlebt, wie auf der Straße ihr Dackel totgefahren wurde, und sie war mitgenommen worden, als vor einem Jahr die Oma starb. Ihr zu erklären, daß die Mutti nie mehr wiederkam, war eine furchtbare Aufgabe.
    »Mami ist bei der Tante geblieben«, hatte Kurt Hendle vorerst gesagt. »Das Wetter war ja so schlecht. Und außerdem soll sich Mami mal erholen.«
    »Es ist nicht zu begreifen«, stammelte er und schob die Hände vor die brennenden Augen. »Es ist nicht zu begreifen …«
    So saß er die ganze Nacht zwischen den Kinderbetten, starrte ins Dunkel und ließ sein Leben mit Magda an sich vorbeiziehen.
    Es waren herrliche, glückliche Jahre gewesen. Erst jetzt begriff er es.
    Und er weinte weiter.
    Schon früh am Morgen war Ilse Trapps weggefahren und hatte eingekauft. Sie mied die Geschäfte, in denen sie bekannt war, sondern fuhr in die Stadt, wo keiner sie beachtete. In einem Supermarkt deckte sie sich für eine Woche mit Verpflegung ein. Ein Angestellter des Supermarkts schleppte drei Kartons mit Büchsen, Frischfleisch, Wurst, Käse und Tiefkühlpaketen in den Kombiwagen und bekam eine Mark Trinkgeld.
    »Warten Sie, ich hole schnell einen Lappen«, sagte der junge Mann höflich und dienstbereit. »Da ist etwas Blut auf dem Boden. Ich wische es schnell weg …«
    Ilse Trapps' grüne Augen blickten ruhig auf die Ladefläche des Kombiwagens. »Ach ja, das kommt von dem Schwein«, sagte sie gleichgültig. »Wir haben gestern ein halbes Schwein geholt. Wenn man eine Tiefkühltruhe hat, lohnt sich das.«
    »O ja! Eine tolle Sache, diese Truhen.« Der junge Mann rannte in den Laden, holte einen Lappen und wischte die Blutflecken weg. »So, jetzt sieht man nichts mehr.«
    »Das ist nett.« Ilse Trapps beschenkte den jungen Mann mit einem tiefen Blick aus ihren grünen Katzenaugen. »Sie sind ein lieber Kerl. Aus Ihnen kann noch mal was werden …«
    Dann fuhr sie ab, erleichtert, daß alles so glatt gegangen war. Der junge Verkäufer sah ihr so lange nach, bis sie um die Ecke bog.
    »Eine tolle Frau!« sagte er zu sich. »Aber an so was kommt man ja nicht 'ran …«
    Er ging zurück in den Laden und begann Apfelsinen abzuwiegen.
    Zehn Pfund 5,40 DM. Sonderangebot.
    Auf den Tüten stand: Die Sonne im Haus.
    Gerd Sassner war in seinem winzigen Turmzimmer, als Ilse Trapps zurückkam, den Wagen in die hintere Garage fuhr, das Tor schloß und wie eine Ratte ins Haus huschte.
    Im Haus war es dunkel und muffig. Seit heute morgen sieben Uhr hatte das Elektrizitätswerk den Strom abgedreht. Ein verlassenes Haus braucht kein Licht. Es war überhaupt ein Problem, wer die letzte Rechnung bezahlte, denn keiner wußte, wohin die Trapps gezogen waren.
    »Sie haben sich nicht abgemeldet«, sagte der Bürgermeister des Ortes Hagebrunn, wo das Einwohnermeldeamt war. »Dann können sie sich auch nicht woanders anmelden. Logisch! Wenigstens in der Verwaltung herrscht Ordnung! Die werden schon wiederkommen! Dreht ihnen doch einfach den Hahn zu.«
    Das tat man auch. Sassner nahm es gelassen hin.
    »Das Licht einer Kerze ist warm und vertraut«, sagte er, als er feststelle, daß der Lichtausfall nicht an einem Kurzschluß lag. »Im Licht der Kerzen schufen die großen Dichter ihre unsterblichen Werke, entdeckte Galilei die Umlaufbahn der Erde, schuf Leibniz die Grundlagen der neuen Mathematik, komponierte Bach seine Kantaten. Das flackernde Licht der Kerze ist lebendes Licht, eine Glühbirne ist kalter Materialismus! Ich aber suche das Leben in seiner ganzen Schönheit! Dazu gehören Kerzen! Schwester Teufelchen, erinnern Sie sich daran, daß im alten Ägypten der Arzt Sinuhe komplizierte Schädeloperationen ausführte … beim Licht einer Öllampe! Sollen wir uns beschämen lassen von der grauen Vorzeit der Medizin? Im Licht der Kerzen wird eine

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