Das Schloß der blauen Vögel
plötzliche Stille nach diesen sinnlosen Worten schuf die Erkenntnis, wo man war. Wie ein klebriges Untier schlich Grauen über die drei gefesselten, nackten Körper.
»Sie sind Milchprüfer«, sagte Sassner zu Hombatz. »Dreißig Jahre alt. Ledig.«
»Ja …« stammelte Hombatz. Angst zuckte in seinen Mundwinkeln. Sein Körper wurde kalt, als läge er auf Eis.
»Sie stellen den Fettgehalt der Milch fest?«
»Ja.«
»Wie hoch ist der Fettgehalt der Milch der frommen Denkungsart?«
Julius Hombatz riß die Augen auf. »Welche Milch, bitte?« stotterte er.
»Er weiß es nicht! Nicht einmal das! Schwester Teufelchen, notieren Sie: Intelligenzgrad zwei. Gehirn muß gewaschen werden. Nun zu Ihnen.« Sassner beugte sich über Agathe Vierholz. »Sie sind Friseuse. Vierundzwanzig Jahre alt. Ledig. Ihre Frage: ›Welche Haarfarbe hatte Julius Caesar?‹«
»Herr Doktor …« wimmerte Agathe. Ihr wohlgeformter Leib zuckte wild. »Herr Doktor … ich bin völlig gesund …«
»Sie wissen es nicht! Gar keine Farbe … Caesar war ein Glatzkopf! Schwester. Ebenfalls Intelligenzgrad zwei. Bei Herrn Peltzer Grad vier. Einfache Dummheitsbegradigung.« Sassners Stimme war schneidend und duldete keinen Widerspruch. »Meine Dame, meine Herren«, sagte er betont, »seien Sie glücklich, in meiner Klinik zu sein. Sie werden zu den ersten gehören, die ein neues Weltbild erkennen können. Morgen und übermorgen werde ich Sie operieren.«
Stolz verließ er das Zimmer. Ilse Trapps zog schnell die Tür zu. Im Zimmer begannen die drei armen Opfer zu brüllen. Sassner blieb stehen und legte den Kopf etwas zur Seite.
»Ich habe schon einen besseren gemischten Chor gehört«, sagte er nachdenklich. »Der Tenor knödelt etwas …«
In den Dienststellen der Polizei zog das große Unbehagen ein. Die Abschnittsleiter bekamen Kummerfalten, in der Sonderkommission GROSS X brütete man über die Gebietskarten zwischen den beiden Autobahnen Frankfurt - Basel und Karlsruhe - Stuttgart. Die Staatsanwaltschaft machte Überstunden; die Fernsehprogramme wurden unterbrochen, die Bevölkerung erfuhr erschrocken, daß unter ihr eine Bestie lebte.
Auf den Parkplätzen bei Bühl und Kenzingen hatte man die verlassenen Autos gefunden. Anhand der Nummern war es leicht, die Besitzer festzustellen. Nur wo sie geblieben waren, erfuhr man nicht. Aber man ahnte es, und das war ein fürchterliches Ahnen. Kriminalrat Quandt rief Professor Dorian an, als vierundzwanzig Stunden später klar wurde, daß zwischen dem verlassenen Wagen in Bühl und dem in Kenzingen ein Zusammenhang bestand.
Professor Dorian sprach aus, was die Polizei befürchtete: »Es sind die nächsten … die Serie hat begonnen.«
Kriminalrat Quandt hustete vor Erregung. »Wie kann so etwas möglich sein? Mitten unter uns! Es muß doch Nachbarn geben, irgendwelche Zeugen, die etwas Verdächtiges gesehen haben. Aber nichts. Gar nichts! Ist es denn möglich, daß eine Bestie ungesehen Menschen zu Tode operieren kann …«
»Eine Zeitlang, ja. Denken Sie an die Massenmörder Landru und Petiot, Bruno Lübbe und Haarmann, Kürten und Christie. Nur Zufälle oder Eifersüchteleien brachten sie zu Fall, die Polizei tappte sonst heute noch im dunkeln.«
»Wie wir!« Ulrich Quandt hustete wieder vor Erregung. »Noch nie habe ich mich so hilflos gefühlt, Professor. Zwei Justizminister blicken auf uns. Was hat übrigens Ihre Kartei ergeben?«
»Aus meinem Patientenkreis kämen drei in Frage.«
»Aha! Her mit den Adressen.«
»Worms, Ludwigshafen und Augsburg, jeweils Städtischer Friedhof. Sie sind alle im Laufe der letzten fünf Jahre gestorben.«
»Danke!« sagte Kriminalrat Quandt abgehackt. »Ihre Hilfe war uns sehr wertvoll.«
Wütend warf er den Hörer auf die Gabel.
Seit Angelas Ausbruch hatten sich Dr. Keller und sie nur noch zweimal gesehen. Einmal beim Abendessen, zu dem ihn Professor Dorian einlud, einmal auf der Treppe im Privatflügel des Professors. Angela kam die große, prunkvolle Treppe herunter, als Dr. Keller gerade zu Dorian wollte. Angela trug über einem gelben Minikleid einen ebenso kurzen glänzenden Wettermantel aus orangenfarbenem Kunststoff.
Dr. Keller vertrat ihr den Weg.
»Soll das so weitergehen mit uns, Angi?« sagte er. Seine Augen baten um einen lieben Blick, um ein befreiendes Wort. »Was du mir alles an den Kopf geworfen hast … das war doch nicht so gemeint.«
»Es war so gemeint! Gehen wir nach Zürich?«
»Nein …«
»Dann laß mich vorbei. Ich habe
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