Das Schloss Im Moor
Besitztum zu verkaufen.
Olga äußerte leichthin, daß ein Wegzug von Ried niemals ein Unglück sein könne, denn ein
langweiligeres Nest gäbe es auf Erden nimmer. Übrigens sei es mit Theo nicht gefährlich, es haben sich schon
ganz andre Leute Rippen gebrochen, und schließlich könne man ja einen tüchtigen Verwalter anstellen. Es
wäre ohnehin für das Geschäft besser, wenn Theo sich weniger im Büro und mehr im Außendienst
beschäftigen würde.
»Nein, nein! Die Einstellung eines Verwalters bleibt immer eine gefährliche Sache, ich will einstweilen davon
nichts wissen. Das aber ist richtig, das Außengeschäft muß mehr berücksichtigt werden; der Vater selig
war fleißig unterwegs und ließ lieber den erprobten Haferditzel im Brauhause arbeiten. – Wie ist denn der
hereingeschneite Baron im Wesen und von Gestalt?«
»Oh, Mama, ganz Kavalier, der echte norddeutsche Edelmann aus uraltem Geschlecht, sehr elegant, sein gebildet,
sicher im Auftreten. Ich glaube, er ist sehr reich. Dem Stallpersonal hat er mindestens zwanzig Mark Trinkgeld
gegeben.«
»Um's Himmels willen! Wie kann der Mensch soviel Geld so leichtsinnig wegwerfen! Sorge dafür, daß der
Johann oder wer das Geld empfangen hat, es wieder zurückgibt! Mir die Leute so verwöhnen! Da wäre es kein
Wunder, wenn unsre Knechte zu Weihnachten mit den Geschenken unzufrieden würden! Gefällt mir gar nicht, der Baron!
Wer so unsinnig Geld wegwirft, hat es nicht ehrlich erworben, kennt den Wert des Geldes nicht!«
»Aber, Mama! Sag doch lieber gleich, der Baron hat das Geld gestohlen!«
»Das kann ich nicht behaupten, ich kenne den Mann nicht, weiß gar nichts. Gelegentlich werde ich aber unseren
Freund in Landsberg fragen . . .«
»Den Amtsrichter Thein? Kommt der auch wieder heraus? Na, das kann ein genußreicher Abend werden!
Stundenlanger Vortrag über Aktengeschichten, mein Geschmack ist das nicht; mir unbegreiflich, wie ihr, du und der Vater,
an dem verknöcherten Aktenmenschen so großen Gefallen haben konntet!«
»Still, Olga! Thein war und ist ein echter Freund unseres Hauses, er hat es bewiesen. Du wirst deine Antipathie
bezähmen und unterdrücken, den Amtsrichter mit gebührender Aufmerksamkeit behandeln, verstanden!«
»Jawohl, Mama! Ich werde seine Aufmerksamkeit auf den Baron lenken und Doktor Thein bitten, insgeheim zu
recherchieren, ob der Löwenbaron wirklich unmenschlich viel Geld besitzt.«
»Laß den Spott, Olga! Du hast dich meinen Anordnungen zu fügen; noch bin ich am Leben, und hier gebiete
ich. Oh, wenn ich nur besser sehen könnte!«
In aufquellender Herzlichkeit umarmte Olga die geliebte Mutter und tröstete sie mit innigen, teilnahmsvollen
Worten.
Drittes Kapitel
Benedikte von Zankstein, die Gutsnachbarin der Tristners auf dem Sitz Zankstein im Seemoor, durfte hinsichtlich der
Körpergestalt allein schon der personifizierte Gegensatz zur zierlichen Olga Tristner genannt werden. Groß und
hoch gewachsen, derbknochig, energisch im Charakter wie in jeder Bewegung und – wieder ein Kontrast: himmelblaue Augen
voll süßester Sanftmut dazu, aschblondes Haar, wachsfarbiger Teint und ein Gewimmel von Sommersprossen auf Nase
und Wangen, ein ›Segen‹ der Landluft, der auch nicht im Winter weichen wollte und um Weihnachten lediglich
etwas bleicher wurde. Benedikte war Waise, reich und geradezu versessen darauf, ihren Grund und Boden auf jegliche moderne
Weise zu bearbeiten. Die Wirtschaft auf Zankstein wurde im ganzen Bezirk als mustergültig bezeichnet, doch ebenso war
allenthalben bekannt, daß die etwa zweiundzwanzigjährige Gutsherrin schier jeden Pfennig ihrer
Vermögenszinsen in das Gut steckte und nahezu mit Unterbilanz arbeitete. Alles war auf Verbesserung eingerichtet und
zugestutzt; Benedikte ließ zur Veredelung des Viehbestandes teure Exemplare der Pinzgauer und Simmenthaler Rasse
kommen, hielt Milchvieh bester Beschaffenheit und verwertete die Milch im eigenen Betrieb; für Fischzucht interessierte
sie sich ebensosehr, doch hieß es trotzdem, daß die Zanksteiner Karpfen ungenießbar seien, weil sie einen
moorigen Beigeschmack hätten. Wenn Benedikte von Zankstein ihre Kleider auch nicht gerade vernachlässigte, auf
Schmuck und Putz hielt sie nichts, war in ungewöhnlicher Weise sparsam im Kleiderkonto, trug Hüte, die vor drei und
vier Jahren in der Hauptstadt modern waren. Doch hatte die Gutsherrin ein edles Herz und Gemüt, sie sorgte für ihre
Dienstboten
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