Das Schloss Im Moor
wichtiger Angelegenheit. Auf Zankstein drehe man gewiß jeden Pfennig um, bevor er ausgegeben werde, doch in solchem
Falle würden Hunderte von Mark selbstverständlich sofort und willig geopfert, um eine Heilung anzustreben.
Olga stimmte dieser Mahnung eifrig zu und bat, es möge Benedikte in bekannt energischer Weise eingreifen, denn alles
Bitten und Reden der Familienangehörigen sei bisher vergeblich geblieben.
»Werde ich gerne tun und heute noch an einen Spezialisten in München schreiben, doch muß ich von Mama
Tristner ermächtigt sein!« erwiderte Benedikte und ließ ihre Augen durch die Stube spazieren laufen.
Frau Helene lehnte jede Vermittlung dankend ab wegen der unerschwinglichen Kosten.
»Was? Unerschwingliche Kosten? Im reichen Hause Tristner? Das ist eine geradezu frivole Äußerung! Wie ich
sehe, hat man Geld für kostbare Blumenbuketts; man treibt heillose Verschwendung, für die Mutter aber soll kein
Geld vorhanden sein?«
Olgas Wangen färbten sich glührot, beschwichtigend hob sie die Hand empor.
Erstaunt rief Frau Tristner: »Wie? In meinem Hause ist niemals Verschwendung getrieben worden! Wir sind einfache
Bürgersleute allzeit gewesen und werden es bleiben! Wo sollen kostbare Blumen sein? Gott, wie traurig, daß mein
Augenlicht erlöschen will! Olga, woher kamen die Blumen, von denen Fräulein von Zankstein spricht?«
»Ach, ist ja nicht der Rede wert! Baron Hodenberg, weißt du, Mama, der norddeutsche Herr, der vor einigen
Tagen uns besuchte, war so aufmerksam, mir die Blumen zu senden!«
»Wer ist das?« fragte aufmerksam werdend Benedikte.
»Wie konntest du solche Geschenke annehmen?« grollte Mama.
»Du lieber Himmel, da ist doch nichts weiter dabei, eine Aufmerksamkeit zum Dank für meine Begleitung. Mir
konnte der Herr doch nicht wie dem Kutscher Johann ein Trinkgeld geben! Der Baron revanchierte sich eben durch
Blumenspenden!«
»Die Sache gefällt mir gar nicht: in ein einfaches Bürgerhaus passen kostbare Blumenbuketts nicht, auch
wäre ein einziger Strauß schon mehr als genug.«
Benedikte erklärte, nun den Kranken aufsuchen zu wollen, und verließ das Gemach.
Gegenüber dem Drängen Mamas um Aufklärung, mußte Olga eingestehen, daß seit dem Besuche
Hodenbergs täglich ein Bukett aus Landsberg komme und selbstverständlich aus dem Grunde angenommen werde, weil zu
einer Ablehnungsepistel die Adresse des Barons fehle.
»Aber du hättest doch sofort die Annahme verweigern können und sollen!«
»Verzeih, Mama, ich stehe doch nicht Posten am Hausportal! Die Blumen wurden einfach dem Pförtner
übergeben und dann mir gebracht, der Bote war längst fort. Ich konnte also die Annahme nicht verweigern.«
»Das muß aber von heute oder morgen ab ein Ende finden! Ich dulde es nicht länger!«
Olga maulte, daß ihr selbst die kleinste Freude und Aufmerksamkeit verwehrt werde in diesem langweiligen Nest und
daß der Herr einen netten Begriff von der Rieder Schloßherrschaft bekommen werde, wenn man seine Blumenspende
brüsk zurücksende.
»Die Verweigerung braucht nicht auf scharfe Weise zu erfolgen; du schreibst ein höfliches Briefchen, das der
Pförtner morgen dem Boten des Barons übergibt. Es schickt sich nicht für ein junges Mädchen,
tagtäglich Blumen anzunehmen.«
»Junges Mädchen! Warum denn nicht gleich Baby, das nach der Milchflasche schreit! Es wird immer netter im
Schloß Ried! Oh, ich wollte, meine Zeit wäre um und die Erlösung nahe!«
»Dummes Geschwätz! Du wirst wohl warten können, bis ein genehmer Werber vorspricht! Hast wohl Flausen im
Kopf? Oder willst du mit dem nächstbesten ›Erlöser‹ gar durchgehen?«
Zornbebend rief Olga: »Unerhört!«, ergriff die Blumensträuße und warf sie zum Fenster hinaus.
–
An Theos Krankenlager saß Eugenie, mit einer Stickarbeit beschäftigt, während der Patient den schönen
Kopf seiner Pflegerin betrachtete. Auf das Klopfen an der Türe erhob sich Eugenie und schritt der Türe zu, durch
deren Öffnung Fräulein Benedikte eintrat, den Blick forschend auf Theo gerichtet.
Der junge Schloßherr guckte verdutzt, erkannte aber das Fräulein von Zankstein alsbald trotz der Vermummung und
winkte lächelnd zur Begrüßung.
Benedikte reichte der zierlichen Eugenie die Hand und wandte sich nun zum Kranken: »Lieber Theo Tristner, was machen
Sie für Geschichten? Ich hörte gestern von Ihrem Unfall und bin heute da, um meine Anteilnahme auszusprechen! Gott,
was haben Sie für eine
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