Das Schloss Im Moor
ab, so würde im Sommer gelegentlich eines solchen Kontrollbesuches ein großer
Verdruß nachfolgen. Es ist also klüger, die Mutter rechtzeitig zu verständigen, noch besser aber wird es
sein, sofort einzugreifen und mit dem Oswalder Kirchenwirt zu reden. Briefe nützen in solchen Fällen gar
nichts.
»Herr Tristner, Sie wünschen?« Mit diesen Worten trat der stämmige, gesunde Braumeister Adam
Haferditzel in das Zimmer, ein mustergültiger Typus des bayrischen Brauers, groß, stämmig, ein Koloß
von Mensch mit vorschriftsmäßigem Bäuchlein und üblicher Haarzierde an den Schläfen. Das dichte
Haupthaar erinnert an den bayrischen Raupenhelm seligen Andenkens, und ähnliche buschige Schnauzbärte tragen mit
Vorliebe die Feldwebel. Hände wie Füße groß, wuchtig, die dicken Wangen von ländlich gesunder
Farbe, der ganze Mensch strotzend von Gesundheit, Kraft und – Trinkfähigkeit.
Theo sprach in seiner leisen Weise: »Eine unangenehme Nachricht, lieber Braumeister! Der Oswalder Kirchenwirt will
abspringen und ›Münchener‹ verzapfen!«
»Oha!« rief mit fetter Stimme Haferditzel und hob die Rechte, als wollte er den Abtrünnigen beim Genick
fassen.
»So schreibt er heute an uns! Was sollen wir mit dem Menschen nun beginnen?«
»Reden müssen wir! Der Kerl will etzliche hundert Mark rausschinden, weiter nix!«
»Glauben Sie?«
»Freilich, ist nicht anders! Den Rummel kenn ich! Und eine Zech will er, die sich sehen laßt!«
»Wieso? Eine Zeche, das verstehe ich nicht!«
»Entschuldigen Sie bitte, aber Sie sind noch jung im Geschäft und wissen daher nicht, wie man einen Wirt, der
abspringen will, ›fürifangt‹, auf daß alles beim alten bleibt!«
»Na, so reden Sie!«
»Jawohl! Eine Hypothek auf den Kirchenwirt können wir nicht kriegen, er hängt zu stark bei der Bank.
Wahrscheinlich hat ihm ein Münchener Brauer etzliches Geld versprochen, wenn der Oswalder Kirchenwirt sein Bier nimmt.
Vielleicht aber will er etzliche Hunderter von uns herauszwicken und alles bleibt dann beim alten! Aus jeden Fall müssen
wir heute noch hinfahren, was verzehren, dem Kirchenwirt die Mucken ausreden, und wenn's sein muß, eine
größere Summe spendieren. Verloren ist das nicht, denn er ist ein guter Abnehmer und hat seit Jahren ziemlich
pünktlich bezahlt!«
»Das sieht aber einer Erpressung ähnlich!«
»Mit Verlaub! Etwas Haarlassen muß von Zeit zu Zeit jeder Brauer, wenn er sich die Kundschaft erhalten will.
Der Oswalder ist halt ein besonders geriebener Kunde und versteht es, wie man so alle fünf Jahr etzliche Hunderter vom
Brauherrn herauskitzelt. Ich mein, wir geben dem die 200 Markl, dafür kriegt er aber keine Zugab auf Neujahr, und mit
der Märzenzech halten wir ihn knapper als sonst. Auf diese Art kriegen wir die zwei Hunderter leicht wieder
herein!«
»Ich kann mich mit diesen Geschäftsmaximen nicht befreunden. Hier Ware, hier Geld, das ist glattes
Geschäft. Das Schmieren paßt mir nicht!«
»Ja mein', wer gut schmiert, fahrt gut! In unsrem Geschäft geht es absolut nicht anders. Und in einer Brauerei
dürfen die paar Markl keine Rolle spielen, sonst ist's gefehlt. Lassen S' nur mich machen und reden, ich schau schon auf
den Nutzen der Herrschaft. Ich laß gleich anspannen.«
»Nein, nein! Wir müssen doch erst zu Mittag essen!«
»Keine Spur! Nur gleich fort! Der Wirt in Lienhardsberg hat unser Bier, bei dem müssen wir einkehren, dort
essen wir zu Mittag und hernach sausen wir durch die Dörfer, die alle uns gehören, bis nach St. Oswald im Grund,
dort gibt es die Hauptzech. Ich laß den Schimmel anspannen!«
»Nein, der ist mir zu langsam. Wir nehmen die Jucker!«
»Aber Herr Tristner! Zum Zechfahren taugen die feurigen Jucker nix, da ist ein sicheres Roß besser!«
Theo fügte sich und stimmte den rasch getroffenen Anordnungen des Braumeisters zu, in der Erkenntnis, daß
Haferditzel unzweifelhaft die praktische Erfahrung auf seiner Seite habe. Es hielt Theo solche Zechfahrt, weil er sie nicht
kannte, für originell, nur die eigentliche Veranlassung der langen Wagenfahrt nach St. Oswald ist wenig erfreulich.
Vielleicht aber gelingt es, den abfallustigen Wirt umzustimmen.
Die Abfahrt erfolgte so rasch, daß Mama Tristner nicht verständigt werden konnte; Theo ließ lediglich die
Botschaft zurück, daß er in Geschäften weggefahren sei. Haferditzel hingegen hatte dem Stallpersonal
aufgetragen, daß der Kutscher Johann bis zur Heimkehr um Mitternacht
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