Das Schloss Im Moor
behandelst. Kommt mir
noch mal was zu Ohren, so kündigen wir dir die Kundschaft, verstanden! Und das Geldherauspressen laßt bleiben, die
Rieder Brauerei bettelt nicht um Kundschaft! So, Freunderl, jetzt kannst, weil es Brauch ist, auftragen lassen, und weil
unser Bier bei dir nicht zum Trinken ist, kannst drei Flaschen Schampuß einkühlen!«
Der Kirchenwirt atmete förmlich auf und sprang in die Küche. Haferditzel rieb sich die Hände und begab sich
sogleich zu seinem jungen Herrn, um ihm den Erfolg seines glücklichen Schachzuges zu berichten.
Theo war vom heißen Getränk erquickt und fühlte sich wieder wohl und munter. Der gute Bericht brachte gute
Stimmung. Die Kundschaft erhalten, der Erpressungsversuch vereitelt – das ist die Fahrt über den bösen
Paß wahrlich wert.
Ähnlich wie in Lienhardsberg muß freilich Zeche gemacht werden, der alteingebürgerte Brauch fordert solche
Konzession. So fütterte denn Haferditzel abermals, was das Zeug hielt und der Magen aufnehmen konnte, während sich
Theo mit einem Gang begnügte und zum sündteuren Sekt minderster Güte Zigaretten rauchte. Die in der
Kutscherstube befindlichen Gäste wurden anläßlich der Anwesenheit des Brauherrn mit einem Faß Bier und
Zigarren beschenkt, so will es der Brauch.
Nach mehreren Stunden wurde die Fahrt zurück über den Paß angetreten, die insofern unter veränderten
Verhältnissen vor sich ging, als inzwischen Frost eingetreten war und leichter Harst die jämmerliche Straße
bedeckte. Doch der berggewohnte Schimmel trat sicher, griff wacker aus und brachte seine Herren glücklich über die
Jochhöhe und jenseit hinab in die schneefreie Talung. Es dämmerte bereits, als das Gebirgsdorf St. Ursula erreicht
wurde. Hier muß eingekehrt werden, denn der Wirt ist Rieder Kundschaft, noch dazu sicherer Zahler und versteht sich
meisterhaft auf die Bierbehandlung. Ein Abendessen mit großem Bierkonsum läßt sich nicht umgehen, die
Zechfahrt fordert ihre Rechte. Und auf solche Weise muß jeder Wirt der Rieder Brauerei besucht werden. Darob ward es
spät, und als das Gefährte vom Wirt zu Lienhardsberg wegfuhr, schlug es von Kirchturm elf Uhr nachts.
Theo fühlte sich müde und schläfrig zum Umfallen; Haferditzel fand seine Aufopferung für die
Herrschaft und das Geschäft mit einer gelinden Gehirnumnebelung belohnt, die sich in der kalten Nachtluft zunehmend
steigerte und ihn veranlaßte, dem Schimmel die Sorge um den Heimweg zu überlassen und auf gut Glück zu
duseln.
Dem Stall entgegen läuft jedes Pferd gerne, der Schimmel kennt den Weg trotz Nacht und Nebel, flink ging es der
Heimat im Moorgelände zu. Der Seewind strich entgegen, die Rieder Dorfuhr kündete Mitternacht.
Plötzlich hielt der Schimmel an, im Dusel griff der Braumeister nach der Peitsche und hieb auf das Pferd ein. Ein
Satz, ein Krach – der Gaul ist mit einem Sprung samt der abgebrochenen Deichsel im Straßengraben, der Wagen kippt
um, im Bogen flog Theo hinaus, und Haferditzel kam unter das Wägelchen zu liegen. Von böswilliger Hand war quer
über die Straße ein Strick gezogen, vor dem der Schimmel stehengeblieben war. Der bärenstarke Braumeister
konnte trotz erlittener Quetschungen das Wägelchen wegschieben, sich aufrichten und dann den Schimmel auf die
Straße bringen. Den verkehrhemmenden Strick hatte er rasch durchschnitten. Nun galt es, vom nahen Schloß Hilfe
holen und Theo heimbringen.
Den Schimmel am Zaume führend, stolperte Haferditzel fluchend dem Schloßhof zu und requirierte
Hilfsmannschaft.
Theo ward bei Laternenlicht bald aufgefunden, mit einem Rippenbruch brachten die Knechte ihn ins Schloß, worauf der
Arzt aus dem nahen Dorf Ried geholt wurde. Der Transport Theos ließ sich nicht so geräuschlos bewerkstelligen,
daß er unbemerkt bleiben konnte; eine Frauengestalt erschien in flüchtiger Umhüllung unter einer Türe
des ersten Stockwerkes und fragte, was geschehen sei.
»Der junge Herr! Umg'schmissen – etwas 'brochen!« rief einer der Knechte mit rauher Stimme.
»Bringt ihn zu Bett! Ich komme gleich!« antwortete die Dame und verschwand.
In ihrem Zimmer kleidete sich Fräulein Eugenie, die »Seele des Hauses«, Gesellschafterin der augenkranken
Mutter Theos und Olgas, die Hausrepräsentantin und Wirtschaftsdame, hastig an, um dem verunglückten Theo die erste
Pflege angedeihen zu lassen. Ein nettes Persönchen von etwa fünfundzwanzig Jahren, schlicht im Wesen, von schlanker
und elastischer
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