Das Schloss in Frankreich
Unsere Zuneigung wäre in Hass umgeschlagen.«
»Ich weiß. Die ganze Zeit über habe ich es gewusst, doch ich wollte es mir nicht eingestehen.« Er atmete tief. »Als du in die Bretagne reistest, wusste ich, dass alles vorbei war. Aus diesem Grund kam ich hierher. Ich musste dich unbedingt noch einmal sehen.« Seine Worte klangen so endgültig, dass sie ihn verblüfft ansah.
»Aber wir werden uns wieder sehen, Tony. Schließlich sind wir immer noch Freunde. Ich werde bald zurückkommen.«
Sie sahen sich lange schweigend an. »Wirklich, Shirley?« Er wandte sich um und führte sie zum Schloss zurück.
Die Sonne schien warm auf Shirleys bloße Schultern, als sie sich am nächsten Morgen von Tony verabschiedete. Er hatte der Gräfin und Christophe bereits Lebewohl gesagt, und Shirley war aus der kühlen Halle mit ihm hinausgegangen in den heißen gepflasterten Vorhof. Der kleine rote Renault stand bereit, das Gepäck war schon im Kofferraum verstaut. Tony prüfte es kurz, dann drehte er sich um und ergriff Shirleys Hände.
»Lass es dir gut gehen, Shirley.« Sein Druck wurde fester, löste sich dann aber gleich wieder. »Vergiss mich nicht.«
»Natürlich werde ich an dich denken, Tony. Ich werde dir schreiben und dich wissen lassen, wann ich wiederkomme.«
Er lächelte sie an, und seine Augen wanderten über ihr Gesicht, als wollte er sich jede Einzelheit einprägen. »Ich werde mich so an dich erinnern, wie du jetzt vor mir stehst: das gelbe Kleid, das sonnendurchflutete Haar und im Hintergrund das Schloss, die unvergängliche Schönheit von Shirley Smith mit den golden schimmernden Augen.«
Er senkte seinen Mund auf ihre Lippen. Plötzlich überwältigte sie die Vorahnung, dass sie ihn nie mehr wieder sehen würde. Sie schlang die Arme um seinen Hals und klammerte sich an ihn und die Vergangenheit. Seine Lippen berührten ihr Haar, ehe er sich losmachte.
»Auf Wiedersehen, Liebling.« Er streichelte ihr die Wangen.
»Auf Wiedersehen, Tony. Pass gut auf dich auf.« Entschlossen wehrte sie sich gegen die aufsteigenden Tränen.
Sie beobachtete, wie er in das Auto einstieg und in die lange, gewundene Auffahrt abbog. Der Wagen schmolz in der Entfernung zu einem kleinen roten Punkt zusammen, der langsam ihren Blicken entschwand. Sie rührte sich nicht von der Stelle und ließ nun den zurückgehaltenen Tränen freien Lauf.
Ein Arm legte sich um ihre Taille. Ihre Großmutter stand neben ihr, das energische Gesicht voller Sympathie und Verständnis.
»Sind Sie traurig, weil er wieder abreist, meine Kleine?« Ihre Nähe tat Shirley gut, und sie lehnte den Kopf gegen die schmale Schulter.
»Ja, Großmutter, sehr traurig.«
»Aber Sie sind nicht verliebt in ihn.« Es war eher eine Feststellung als eine Frage, und Shirley seufzte auf.
»Uns verbindet eine ganz besondere Freundschaft.« Sie wischte sich eine Träne ab und schluchzte wie ein Kind. »Ich werde ihn sehr vermissen. Jetzt möchte ich hinauf in mein Zimmer gehen und mich ausweinen.«
»Ja, das ist vernünftig.« Die Gräfin klopfte ihr leicht auf die Schulter. »Nur wenige Dinge befreien den Kopf und das Herz so gründlich wie ein Tränenstrom.«
Shirley wandte sich um und umarmte sie. »Beeilen Sie sich, mein Kind.« Die Gräfin drückte sie an sich, ehe sie sie freigab. »Weinen Sie sich aus.«
Shirley lief die Steinstufen hinauf und flüchtete durch die schwere Eichentür in das kühle Schloss. Als sie die Haupttreppe erreichte, stieß sie mit einem harten Gegenstand zusammen. Hände umfassten ihre Schultern.
»Sie müssen aufpassen, wohin Sie gehen, meine Liebe«, spöttelte Christophe. »Sonst werden Sie noch gegen eine Wand prallen und sich Ihre wunderhübsche Nase eindrücken.« Sie versuchte, sich loszureißen, doch eine Hand hielt sie mühelos fest, während die andere ihr Kinn hochhob. Als er ihre tränenfeuchten Augen sah, schwand seine Ironie. Er war erstaunt, betroffen und schließlich ungewohnt hilflos. »Shirley?« Er sprach ihren Namen so sanft aus wie noch nie zuvor, und die zärtlich-dunklen Augen brachten sie vollends aus der Fassung.
»Ich bitte Sie«, sie unterdrückte ein verzweifeltes Schluchzen, »lassen Sie mich gehen.« Sie schüttelte ihn ab, bemühte sich um ihr Gleichgewicht und wäre doch am liebsten in die Arme dieses plötzlich so sanftmütigen Mannes gesunken.
»Kann ich irgendetwas für Sie tun?« Er hinderte sie daran, davonzulaufen, indem er ihr eine Hand auf den Arm legte.
Ja, Sie Dummkopf, rebellierte sie
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