Das Schloss von Otranto
ging.
Während dieses Gehörs, ward Geronimo's Seele durch tausend widersprechende Gefühle bekämpft. Er zitterte für das Leben seines Sohnes, und ließ sich zuerst einfallen, Isabellen zu bereden, in die Burg zurück zu kehren. Doch war er kaum weniger beunruhigt, wenn er sich ihre Verbindung mit Manfred dachte. Er fürchtete Hippolitens gränzenlose Ergebung in den Willen ihres Gemahls; und obwohl er nicht zweifelte, er möge, sobald man ihm Zutritt zu ihr gestatte, ihrer Frömmigkeit zur Sünde machen, in eine Ehescheidung zu willigen; so besorgte er doch, es könne Theodoren verderblich werden, wenn Manfred bemerkte, er gebe den Widerstand ein. Er war ungeduldig zu wissen, woher der Herold komme, der Manfreds Rechte mit so weniger Schonung in Zweifel zog; und wagte doch nicht, sich aus dem Kloster zu entfernen, damit es Isabelle nicht verlasse, und ihre Flucht ihm zugerechnet werde. Trostlos kehrte er zu seiner Klause zurück, unschlüssig, welche Maasregeln zu ergreifen. Ein Mönch, der ihm im Vorhause begegnete, bemerkte die Schwermuth auf seinem Gesicht, und fragte: Ach! Bruder, ist es denn wahr, daß wir unsere trefliche Fürstin Hippolite verloren haben? Der ehrwürdige Greis erschrack und rief: was meinst du Bruder? Ich komme diesen Augenblick von der Burg, und habe sie vollkommen gesund verlassen. Martelli, erwiederte der andre Klosterbruder, ging auf seinem Wege vom Schlosse, vor einer Viertelstunde das Kloster vorbey, und erzählte, daß Ihre Hoheit gestorben sey. Alle unsre Brüder sind auf dem Chor versammelt, einen glücklichen Hingang in jenes Leben für sie zu erbeten, und trugen mir auf, deiner Ankunft zu warten. Sie kennen deine heilige Liebe für die gute Dame, und sind sehr besorgt, wegen der Betrübniß, worin dich ihr Verlust versetzen wird. In der That, wir haben allerseits Ursache zu weinen, sie war eine Mutter gegen unser Haus. Aber dies Leben ist nichts als eine Pilgerreise, wir müssen nicht murren, wir folgen alle! unser Ende sey wie das ihre! Guter Bruder, du träumst, sprach Geronimo: ich sage dir, ich komme aus der Burg, und verließ die Fürstin gesund. Wo ist Fräulein Isabelle? Die arme Dame! versetzte der Klosterbruder. Ich erzählte ihr die traurige Nachricht, und bot ihr geistlichen Trost an. Ich erinnerte sie, wie flüchtig das Leben sey, und rieth ihr, sich einzukleiden. Ich verwieß sie, auf das Beyspiel, der heiligen Fürstin Sancia von Arragonien. – Dein Eifer ist zu loben, erwiederte Geronimo mit Ungeduld, aber jetzt war er unnöthig. Hippolite ist wohl, wenigstens hoffe ich das zu Gott, ich vernahm nichts vom Gegentheil – freylich könnte das Verlangen des Fürsten – wohl, Bruder, wo ist Donna Isabella? Ich weiß nicht, antwortete der Klosterbruder, sie weinte sehr, und sprach, sie wolle auf ihr Zimmer gehn. Sogleich verließ Geronimo seinen Mitbruder, und eilte zur Prinzessin, allein sie war nicht auf ihrem Zimmer. Er fragte die Bedienten des Klosters, konnte aber nichts von ihr erfahren. Vergeblich suchte er die klösterlichen Gebäude und die Kirche durch, und schickte Boten in der Nachbarschaft herum, zu erforschen, ob man sie gesehn habe. Es war alles umsonst. Nichts glich der Verlegenheit des guten Alten. Er urtheilte, daß Isabelle, argwöhnend, Manfred habe seiner Gemahlin Tod befördert, fortgeschreckt sey, und eine geheime Stäte gesucht habe, sich dort zu verbergen. Diese neue Flucht werde die Wuth des Fürsten aufs höchste treiben. Die Nachricht von Hippolitens Tode, wiewohl sie beynahe unglaublich schien, vermehrte seine Bestürzung: und obgleich Isabellens Entweichung ihre Abneigung gegen Manfreds Hand bewies, konnte Geronimo darüber keinen Trost empfinden, weil sie seines Sohnes Leben in Gefahr setzte. Er entschloß sich, zu der Burg zurück zu kehren, von mehreren seiner Brüder begleitet, um seine Unschuld vor Manfred zu bezeugen, und im Fall der Noth, mit ihm für Theodor zu reden.
Unterdes war der Fürst in den Hof hinabgegangen, und hatte befohlen, die Thore der Burg zu öfnen, zum Empfang des fremden Ritters und seines Gefolges. Wenige Minuten darauf kam der Zug heran. Zuerst erschienen zwey Quartiermeister mit Stäben. Darauf der Herold mit zwey Edelknaben und zwey Trompetern. Darauf hundert Fußknechte, dann hundert Reiter. Hinter ihnen funfzig Bediente, gekleidet in des Ritters Livrey, scharlach und schwarz. Dann ein Handpferd. Ein Cavalier zu Pferde, mit zwey Herolden an jeder Seite, ein Panier mit den verbundenen Wapen von Vicenza und
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