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Das Schloss von Otranto

Titel: Das Schloss von Otranto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horace Walpole
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hereintraten. Manfred fuhr sie für diese Zudringlichkeit zornig an, und hätte sie gern wieder aus dem Zimmer heraus gedrängt, aber Geronimo war zu sehr bewegt, sich zurück stoßen zu lassen. Laut erklärt' er Isabellens Flucht, und betheuerte, er sey unschuldig daran. Manfred, außer sich über diese Nachricht, wie nicht minder darüber, daß sie den Fremden zu Ohren kam, stieß nun unzusammenhängende Reden aus: bald Vorwürfe gegen den Mönch, bald Entschuldigungen gegen die Ritter. Er brannte zu wissen, was aus Isabellen geworden sey, und war eben so besorgt, daß jene etwas davon erfahren mögten. Er war ungeduldig, ihr nachzusetzen, und fürchtete sehr, Gefährten seiner Verfolgung zu bekommen. Er versprach, ihr Boten nachzusenden, – aber der vornehmste Ritter brach nunmehr das Schweigen, warf Manfred in bittern Ausdrücken sein geheimnißvolles zweideutiges Betragen vor, und fragte: warum Isabelle zuerst die Burg verlassen habe? Manfred warf einen gebieterischen Blick auf Geronimo, der ihm zu schweigen befahl, und wandte vor, er habe sie nach Corrado's Tod an heilige Stäte gebracht, bis er über ihre anderweitige Versorgung einen Entschluß fassen könne. Geronimo, der für seines Sohnes Leben zitterte, wagte dieser Unwahrheit nicht zu widersprechen; aber einer seiner Ordensbrüder, dem eine solche Besorgniß nicht oblag, erklärte frei heraus, sie habe sich die vergangene Nacht in ihre Kirche geflüchtet. Vergebens strebte der Fürst eine Entdeckung zu unterdrücken, die ihn mit Scham und Verwirrung über häufte. Der vornehmste Fremde, erstaunt über alle Widersprüche, die er vernommen hatte, und mehr als halb überzeugt, Manfred halte die Prinzessin verborgen, ohngeachtet er sich über ihre Flucht so bestürzt stellte, eilte auf die Thür zu, und rief: Verrätherischer Fürst! Isabelle wird sich finden lassen! Manfred versuchte ihn zurückzuhalten, aber mit dem Beistand seiner ritterlichen Gefährten, riß er sich von ihm los, stürzte auf den Hof, und fragte nach seinem Gefolge. Da Manfred ihn von der Nachsetzung abzuhalten nicht vermogte, erbot er sich, ihn zu begleiten, rief seine Diener auf, nahm Geronimo und einige Mönche zu Wegweisern, und so verließen sie die Burg. Heimlich gab Manfred Befehl, des Ritters Leute zu bewachen; vor dem Ritter gab er sich das Ansehn, als sende er einen Boten, ihren Beystand zu erheischen.
    Unterdessen hatte Matilde tiefe Theilnahme an dem Schicksal des jungen Landmanns empfunden, seit sie ihn in der Halle zum Tode verurtheilen sah, und immer auf Mittel zu seiner Rettung gesonnen. Jetzt erfuhr sie, sobald die Gesellschaft die Burg verlassen hatte, durch einige ihrer weiblichen Bedienten, Manfred habe alle seine Diener auf verschiednen Wegen fortgeschickt. In seiner Eile gab er den Befehl in allgemeinen Ausdrücken; er meinte nicht, ihn auf die Wache auszudehnen, die er über Theodor gesetzt hatte, aber er vergaß sie. Die Bedienten waren sehr zuvorkommend, gegen die Gebote eines strengaufsehenden Fürsten. Auch trieb sie eigne Neugier und Sucht nach seltnen Vorfällen, an jeder übereilten Hetze Theil zu nehmen. So verließen sie sammt und sonders die Burg. Matilde machte sich los von ihren Frauenzimmern, schlich zum schwarzen Thurm, zog den Riegel von der Thür hinweg, und zeigte sich dem erstaunten Theodor. Junger Mann, sprach sie, kindlicher Gehorsam und jungfräuliche Bescheidenheit verdammen diesen Schritt, den ich wage, aber heiliges Erbarmen, stärker als alle Bande, rechtfertigt meine That. Fliehn Sie. Die Thore Ihres Kerkers stehn offen. Mein Vater und seine Diener sind abwesend, sie können bald zurück kehren. Ziehn Sie hin in Frieden, Engel des Himmels leiten Ihren Pfad! Sie sind sicherlich einer dieser Engel! sprach Theodor mit Entzücken. Nur eine Heilige Gottes kann reden, kann handeln, kann blicken wie Sie! Darf ich den Namen meiner himmlischen Beschützerin nicht erfahren? Sie nannten einen Vater? Ist es möglich? Kann Manfreds Blut heiliges Erbarmen fühlen? Sie antworten mir nicht, schöne Dame? Wie kommen Sie selbst hieher? Warum vergessen Sie Ihrer eignen Sicherheit, und verlieren sich im Gedächtniß an den unglücklichen Theodor? Lassen Sie uns zusammen entfliehn. Das Leben, das Sie mir schenken, widm' ich Ihrer Vertheidigung. Ach! Sie irren, sprach Matilde seufzend, ich bin Manfreds Tochter, ich schwebe in keiner Gefahr. Ich erstaune, sprach Theodor. Noch in der verwichenen Nacht fühlt' ich mich selig, Ihrer Hoheit den Dienst leisten zu

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