Das Schloß
nicht, ich kümmerte mich nie darum.«
»Es muß aber doch so gewesen sein«, sagte K., »wenn die Familie bereit war, solche Opfer zu bringen und das Wirtshaus einfach ohne Sicherung in Ihre Hände zu geben.«
»Es war nicht unvorsichtig, wie sich später gezeigt hat«, sagte die Wirtin. »Ich warf mich in die Arbeit, stark war ich, des Schmiedes Tochter, ich brauchte nicht Magd nicht Knecht, ich war überall, in der Wirtsstube, in der Küche, im Stall, im Hof, ich kochte so gut, daß ich sogar dem Herrenhof Gäste abjagte, Sie waren Mittag noch nicht in der Wirtsstube, Sie kennen nicht unsere Mittagsgäste, damals waren noch mehr, seither haben sich schon viele verlaufen. Und das Ergebnis war daß wir nicht nur den Pacht richtig zahlen konnten, sondern nach einigen Jahren das Ganze kauften und es heute fast schuldenfrei ist. Das weitere Ergebnis freilich war, daß ich mich dabei zerstörte, herzkrank wurde und nun eine alte Frau bin. Sie glauben vielleicht, daß ich viel älter als Hans bin, aber in Wirklichkeit ist er nur zwei oder drei Jahre jünger und wird allerdings niemals altern, denn bei seiner Arbeit – Pfeiferauchen, den Gästen zuhören, dann die Pfeife ausklopfen und manchmal ein Bier holen – bei dieser Arbeit altert man nicht.«
»Ihre Leistungen sind bewundernswert«, sagte K., »daran ist kein Zweifel, aber wir sprachen von den Zeiten vor Ihrer Heirat und damals wäre es doch merkwürdig gewesen, wenn Hansens Familie unter Geldopfern oder zumindest mit Übernahme eines so großen Risikos, wie es die Hingabe des Wirtshauses war, zur Heirat gedrängt und hiebei keine andere Hoffnung gehabt hätte, als Ihre Arbeitskraft, die man ja noch gar nicht kannte, und Hansens Arbeitskraft, deren Nichtvorhandensein man doch schon erfahren haben mußte.«
»Nun ja«, sagte die Wirtin müde, »ich weiß ja worauf Sie zielen und wie fehl Sie dabei gehn. Von Klamm war in allen diesen Dingen keine Spur. Warum hätte er für mich sorgen sollen oder richtiger: wie hätte er überhaupt für mich sorgen können? Er wußte ja nichts mehr von mir. Daß er mich nicht mehr hatte rufen lassen, war ein Zeichen, daß er mich vergessen hatte. Wen er nicht mehr rufen läßt, vergißt er völlig. Ich wollte davon vor Frieda nicht reden. Es ist aber nicht nur Vergessen, es ist mehr als das. Den welchen man vergessen hat, kann man ja wieder kennen lernen. Bei Klamm ist das nicht möglich. Wen er nicht mehr rufen läßt, den hat er nicht nur für die Vergangenheit völlig vergessen, sondern förmlich auch für alle Zukunft. Wenn ich mir viel Mühe gebe, kann ich mich ja hineindenken in Ihre Gedanken, in Ihre hier sinnlosen, in der Fremde aus der Sie kommen vielleicht gültigen Gedanken. Möglicherweise versteigen Sie sich bis zu der Tollheit zu glauben, Klamm hätte mir gerade einen Hans deshalb zum Mann gegeben, damit ich nicht viel Hindernis habe, zu ihm zu kommen, wenn er mich in Zukunft einmal riefe. Nun, weiter kann auch Tollheit nicht gehn. Wo wäre der Mann, der mich hindern könnte, zu Klamm zu laufen, wenn mir Klamm ein Zeichen gibt? Unsinn, völliger Unsinn, man verwirrt sich selbst, wenn man mit solchem Unsinn spielt.«
»Nein«, sagte K., »verwirren wollen wir uns nicht, ich war mit meinen Gedanken noch lange nicht so weit wie Sie annehmen, wenn auch um die Wahrheit zu sagen auf dem Wege dorthin. Vorläufig wunderte mich aber nur daß die Verwandtschaft soviel von der Heirat erhoffte und daß diese Hoffnungen sich tatsächlich auch erfüllten, allerdings durch den Einsatz Ihres Herzens, Ihrer Gesundheit. Der Gedanke an einen Zusammenhang dieser Tatsachen mit Klamm drängte sich mir dabei allerdings auf, aber nicht oder noch nicht in der Grobheit, mit der Sie es darstellten, offenbar nur zu dem Zweck um mich wieder einmal anfahren zu können, weil Ihnen das Freude macht. Mögen Sie die Freude haben! Mein Gedanke aber war der: Zunächst ist Klamm offenbar die Veranlassung der Heirat. Ohne Klamm wären Sie nicht unglücklich gewesen, nicht untätig im Vorgärtchen gesessen, ohne Klamm hätte Sie Hans dort nicht gesehn, ohne Ihre Traurigkeit hätte der schüchterne Hans Sie nie anzusprechen gewagt, ohne Klamm hätten Sie sich nie mit Hans in Tränen gefunden, ohne Klamm hätte der alte gute Onkel-Gastwirt niemals Hans und Sie dort friedlich beisammen sitzen gesehn, ohne Klamm wären Sie nicht gleichgültig gegen das Leben gewesen, hätten also Hans nicht geheiratet. Nun, in dem allen ist doch schon genug Klamm,
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