Das Schloß
sollte ich meinen. Es geht aber noch weiter. Hätten Sie nicht Vergessen gesucht, hätten Sie gewiß nicht so rücksichtslos gegen sich selbst gearbeitet, und die Wirtschaft nicht so hoch gebracht. Also auch hier Klamm. Aber Klamm ist auch noch abgesehen davon die Ursache Ihrer Krankheit, denn Ihr Herz war schon vor Ihrer Heirat von der unglücklichen Leidenschaft erschöpft. Bleibt nur noch die Frage, was Hansens Verwandte so sehr an der Heirat lockte. Sie selbst erwähnten einmal, daß Klamms Geliebte zu sein eine unverlierbare Rangerhöhung bedeutet, nun, so mag sie also dies gelockt haben. Außerdem aber, glaube ich, die Hoffnung, daß der gute Stern, der Sie zu Klamm geführt hat – vorausgesetzt daß es ein guter Stern war, aber Sie behaupten es – zu Ihnen gehöre, also bei Ihnen bleiben müsse und Sie nicht etwa so schnell und plötzlich verlassen werde, wie Klamm es getan hat.«
»Meinen Sie dieses alles im Ernst?« fragte die Wirtin.
»Im Ernst«, sagte K. schnell, »nur glaube ich, daß Hansens Verwandtschaft mit ihren Hoffnungen weder ganz Recht noch ganz Unrecht hatte und ich glaube auch den Fehler zu erkennen, den Sie gemacht haben. Äußerlich scheint ja alles gelungen, Hans ist gut versorgt, hat eine stattliche Frau, steht in Ehren, die Wirtschaft ist schuldenfrei. Aber eigentlich ist doch nicht alles gelungen, er wäre mit einem einfachen Mädchen, dessen erste große Liebe er gewesen wäre, gewiß viel glücklicher geworden; wenn er, wie Sie es ihm vorwerfen, manchmal in der Wirtsstube wie verloren dasteht, so deshalb weil er sich wirklich wie verloren fühlt – ohne darüber unglücklich zu sein, gewiß, soweit kenne ich ihn schon – aber ebenso gewiß ist daß dieser hübsche verständige Junge mit einer andern Frau glücklicher, womit ich gleichzeitig meine, selbstständiger, fleißiger, männlicher geworden wäre. Und Sie selbst sind doch gewiß nicht glücklich und, wie Sie sagten, ohne die drei Andenken wollten Sie gar nicht weiterleben und herzkrank sind Sie auch. Also hatte die Verwandtschaft mit ihren Hoffnungen unrecht? Ich glaube nicht. Der Segen war über Ihnen, aber man verstand nicht ihn herunterzuholen.«
»Was hat man denn versäumt?« fragte die Wirtin. Sie lag nun ausgestreckt auf dem Rücken und blickte zur Decke empor.
»Klamm zu fragen«, sagte K.
»So wären wir also wieder bei Ihnen«, sagte die Wirtin.
»Oder bei Ihnen«, sagte K., »unsere Angelegenheiten grenzen aneinander.«
»Was wollen Sie also von Klamm?« sagte die Wirtin. Sie hatte sich aufrecht gesetzt, die Kissen aufgeschüttelt, um sitzend sich anlehnen zu können und sah K. voll in die Augen. »Ich habe Ihnen meinen Fall, aus dem Sie einiges hätten lernen können, offen erzählt. Sagen Sie mir nun ebenso offen, was Sie Klamm fragen wollen. Nur mit Mühe habe ich Frieda überredet, in ihr Zimmer hinaufzugehn und dort zu bleiben, ich fürchtete, Sie würden in ihrer Anwesenheit nicht genug offen sprechen.«
»Ich habe nichts zu verbergen«, sagte K. »Zunächst aber will ich Sie auf etwas aufmerksam machen. Klamm vergißt gleich, sagten Sie. Das kommt mir nun erstens sehr unwahrscheinlich vor, zweitens aber ist es unbeweisbar, offenbar nichts anderes als eine Legende, ausgedacht vom Mädchenverstand derjenigen, welche bei Klamm gerade in Gnade waren. Ich wundere mich, daß Sie einer so platten Erfindung glauben.«
»Es ist keine Legende«, sagte die Wirtin, »es ist vielmehr der allgemeinen Erfahrung entnommen.«
»Also auch durch neue Erfahrung zu widerlegen«, sagte K. »Dann gibt es aber auch noch einen Unterschied zwischen Ihrem und Friedas Fall. Daß Klamm Frieda nicht mehr gerufen hätte, ist gewissermaßen gar nicht vorgekommen, vielmehr hat er sie gerufen, aber sie hat nicht gefolgt. Es ist sogar möglich, daß er noch immer auf sie wartet.«
Die Wirtin schwieg und ließ nur ihren Blick beobachtend an K. auf und ab gehn. Dann sagte sie: »Ich will allem, was Sie zu sagen haben, ruhig zuhören. Reden Sie lieber offen, als daß Sie mich schonen. Nur eine Bitte habe ich. Gebrauchen Sie nicht Klamms Namen. Nennen Sie ihn ‚er› oder sonstwie, aber nicht beim Namen.«
»Gern«, sagte K., »aber was ich von ihm will, ist schwer zu sagen. Zunächst will ich ihn in der Nähe sehn, dann will ich seine Stimme hören, dann will ich von ihm wissen, wie er sich zu unserer Heirat verhält; um was ich ihn dann vielleicht noch bitten werde, hängt vom Verlauf der Unterredung ab. Es kann manches zur
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