Das Schloß
nicht einmal mehr Klamm Dein Ziel, vielleicht beunruhigt mich das am meisten; daß Du Dich immer über mich hinweg zu Klamm drängtest, war schlimm, daß Du jetzt von Klamm abzukommen scheinst, ist viel schlimmer, es ist etwas, was nicht einmal die Wirtin vorhersah. Nach der Wirtin endete mein Glück, fragwürdiges und doch sehr wirkliches Glück, mit dem Tage, an dem Du endgiltig einsahst, daß Deine Hoffnung auf Klamm vergeblich war. Nun aber wartest Du nicht einmal mehr auf diesen Tag, plötzlich kommt ein kleiner Junge herein und Du beginnst mit ihm um seine Mutter zu kämpfen, so wie wenn Du um Deine Lebensluft kämpfen würdest.« »Du hast mein Gespräch mit Hans richtig aufgefaßt«, sagte K., »so war es wirklich. Ist aber denn Dein ganzes früheres Leben für Dich so versunken (bis auf die Wirtin natürlich, die sich nicht mithinabstoßen läßt), daß Du nicht mehr weißt, wie um das Vorwärtskommen gekämpft werden muß, besonders wenn man von tief untenher kommt? Wie alles benützt werden muß, was irgendwie Hoffnung gibt? Und diese Frau kommt vom Schloß, sie selbst hat es mir gesagt, als ich mich am ersten Tag zu Lasemann verirrte. Was lag näher, als sie um Rat oder sogar um Hilfe zu bitten; kennt die Wirtin ganz genau nur alle Hindernisse, die von Klamm abhalten, dann kennt diese Frau wahrscheinlich den Weg, sie ist ihn ja selbst herabgekommen.« »Den Weg zu Klamm?« fragte Frieda. »Zu Klamm, gewiß, wohin denn sonst«, sagte K. Dann sprang er auf: »Nun aber ist es höchste Zeit, das Gabelfrühstück zu holen.« Dringend, weit über den Anlaß hinaus bat ihn Frieda zu bleiben, so wie wenn erst sein Bleiben alles Tröstliche was er ihr gesagt hatte, bestätigen würde. K. aber erinnerte an den Lehrer, zeigte auf die Tür, die jeden Augenblick mit Donnerkrach aufspringen könne, versprach auch gleich zu kommen, nicht einmal einheizen müsse sie, er selbst werde es besorgen. Schließlich fügte sich Frieda schweigend. Als K. draußen durch den Schnee stapfte – längst schon hätte der Weg freigeschaufelt sein sollen, merkwürdig, wie langsam die Arbeit vorwärtsgieng – sah er am Gitter einen der Gehilfen totmüde sich festhalten. Nur einen, wo war der andere? Hatte K. also wenigstens die Ausdauer des einen gebrochen? Der Zurückgebliebene war freilich noch eifrig genug bei der Sache, das sah man, als er, durch den Anblick K.’s belebt, sofort wieder mit dem Armeausstrecken und dem sehnsüchtigen Augenverdrehn begann. ‚Seine Unnachgiebigkeit ist musterhaft›, sagte sich K. und mußte allerdings hinzufügen: ‚man erfriert mit ihr am Gitter.› Äußerlich hatte aber K. für den Gehilfen nichts anderes als ein Drohen mit der Faust, das jede Annäherung ausschloß, ja der Gehilfe rückte ängstlich noch ein ansehnliches Stück zurück. Eben öffnete Frieda ein Fenster, um, wie es mit K. besprochen war, vor dem Einheizen zu lüften. Gleich ließ der Gehilfe von K. ab und schlich, unwiderstehlich angezogen, zum Fenster. Das Gesicht verzerrt von Freundlichkeit gegenüber dem Gehilfen und flehender Hilflosigkeit zu K. hin, schwenkte sie ein wenig die Hand oben aus dem Fenster, es war nicht einmal deutlich ob es Abwehr oder Gruß war, der Gehilfe ließ sich dadurch im Näherkommen auch nicht beirren. Da schloß Frieda eilig das äußere Fenster, blieb aber dahinter, die Hand auf der Klinke, mit zur Seite geneigtem Kopf, großen Augen und einem starren Lächeln. Wußte sie daß sie den Gehilfen damit mehr lockte als abschreckte? K. sah aber nicht mehr zurück, er wollte sich lieber möglichst beeilen und bald zurückkommen.
15 Bei Amalia
Endlich – es war schon dunkel, später Nachmittag – hatte K. den Gartenweg freigelegt, den Schnee zu beiden Seiten des Weges hochgeschichtet und festgeschlagen und war nun mit der Arbeit des Tages fertig. Er stand am Gartentor, im weiten Umkreis allein. Den Gehilfen hatte er vor Stunden schon vertrieben, eine große Strecke gejagt, dann hatte sich der Gehilfe irgendwo zwischen Gärtchen und Hütten versteckt, war nicht mehr aufzufinden gewesen und auch seitdem nicht wieder hervorgekommen. Frieda war zuhause und wusch entweder schon die Wäsche oder noch immer Gisas Katze; es war ein Zeichen großen Vertrauens seitens Gisas gewesen, daß sie Frieda diese Arbeit übergeben hatte, eine allerdings unappetitliche und unpassende Arbeit, deren Übernahme K. gewiß nicht geduldet hätte, wenn es nicht sehr ratsam gewesen wäre, nach den verschiedenen
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