Das Schloß
Dienstversäumnissen jede Gelegenheit zu benützen, durch die man sich Gisa verpflichten konnte. Gisa hatte wohlgefällig zugesehn, wie K. die kleine Kinderwanne vom Dachboden gebracht hatte, wie Wasser gewärmt wurde und wie man schließlich vorsichtig die Katze in die Wanne hob. Dann hatte Gisa die Katze sogar völlig Frieda überlassen, denn Schwarzer, K.’s Bekannter vom ersten Abend war gekommen, hatte K. mit einer Mischung von Scheu, zu welcher an jenem Abend der Grund gelegt worden war, und unmäßiger Verachtung, wie sie einem Schuldiener gebürte, begrüßt und hatte sich dann mit Gisa in das andere Schulzimmer begeben. Dort waren die zwei noch immer. Wie man im Brückenhof K. erzählt hatte, lebte Schwarzer, der doch ein Kastellanssohn war, aus Liebe zu Gisa schon lange im Dorfe, hatte es durch seine Verbindungen erreicht, daß er von der Gemeinde zum Hilfslehrer ernannt worden war, übte aber dieses Amt hauptsächlich in der Weise aus, daß er fast keine Unterrichtsstunde Gisas versäumte, entweder in der Schulbank zwischen den Kindern saß oder, lieber, am Podium zu Gisas Füßen. Es störte gar nicht mehr, die Kinder hatten sich schon längst daran gewöhnt und dies vielleicht um so leichter, als Schwarzer weder Zuneigung noch Verständnis für Kinder hatte, kaum mit ihnen sprach, nur den Turnunterricht von Gisa übernommen hatte und im übrigen damit zufrieden war in der Nähe, in der Luft, in der Wärme Gisas zu leben. Sein größtes Vergnügen war es neben Gisa zu sitzen und mit ihr Schulhefte zu korrigieren. Auch heute waren sie damit beschäftigt, Schwarzer hatte einen großen Stoß Hefte gebracht, der Lehrer gab ihnen immer auch die seinen, und solange es noch hell gewesen war, hatte K. die zwei an einem Tischchen beim Fenster arbeiten gesehn, Kopf an Kopf, unbeweglich, jetzt sah man dort nur zwei Kerzen flackern. Es war eine ernste schweigsame Liebe, welche die zwei verband, den Ton gab eben Gisa an, deren schwerfälliges Wesen zwar manchmal, wild geworden, alle Grenzen durchbrach, die aber etwas Ähnliches bei andern zu anderer Zeit niemals geduldet hätte, so mußte sich auch der lebhafte Schwarzer fügen, langsam gehn, langsam sprechen, viel schweigen, aber er wurde für alles, das sah man, reichlich belohnt durch Gisas einfache stille Gegenwart. Dabei liebte ihn Gisa vielleicht gar nicht, jedenfalls gaben ihre runden grauen, förmlich niemals blinzelnden, eher in den Pupillen scheinbar sich drehenden Augen auf solche Fragen keine Antwort, nur daß sie Schwarzer ohne Widerspruch duldete sah man, aber die Ehrung von einem Kastellanssohn geliebt zu werden, verstand sie gewiß nicht zu würdigen und ihren vollen üppigen Körper trug sie unverändert ruhig dahin, ob Schwarzer ihr mit den Blicken folgte oder nicht. Schwarzer dagegen brachte ihr das ständige Opfer, daß er im Dorfe blieb; Boten des Vaters, die ihn öfters abholen kamen, fertigte er so empört ab, als sei schon die kurze von ihnen verursachte Erinnerung an das Schloß und an seine Sohnespflicht, eine empfindliche, nicht zu ersetzende Störung seines Glückes. Und doch hatte er eigentlich reichlich freie Zeit, denn Gisa zeigte sich ihm im allgemeinen nur während der Unterrichtsstunden und beim Heftekorrigieren, dies freilich nicht aus Berechnung, sondern weil sie die Bequemlichkeit und deshalb das Alleinsein über alles liebte und wahrscheinlich am glücklichsten war, wenn sie sich zuhause in völliger Freiheit auf dem Kanapee ausstrecken konnte, neben sich die Katze, die nicht störte, weil sie sich ja kaum mehr bewegen konnte. So trieb sich Schwarzer einen großen Teil des Tages beschäftigungslos herum, aber auch dies war ihm lieb, denn immer hatte er dabei die Möglichkeit, die er auch sehr oft ausnützte, in die Löwengasse zu gehn wo Gisa wohnte, zu ihrem Dachzimmerchen hinaufzusteigen, an der immer versperrten Tür zu horchen und dann allerdings wieder wegzugehn, nachdem er im Zimmer ausnahmslos die vollkommenste unbegreifliche Stille festgestellt hatte. Immerhin zeigten sich doch auch bei ihm die Folgen dieser Lebensweise manchmal, aber niemals in Gisas Gegenwart, in lächerlichen Ausbrüchen auf Augenblicke wiedererwachten amtlichen Hochmuts, der freilich gerade zu seiner gegenwärtigen Stellung genug schlecht paßte; es ging dann allerdings meistens nicht sehr gut aus, wie es ja auch K. erlebt hatte.
Erstaunlich war nur, daß man, wenigstens im Brückenhof, doch mit einer gewissen Achtung von Schwarzer sprach, selbst
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