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Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Titel: Das Schmetterlingsmädchen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Moriarty
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Sie musste ihn dazu bringen, es einzusehen.
    »Ich brauche deine Hilfe«, sagte sie ruhig. »Das bist du mir schuldig. Das weißt du.«
    Er runzelte die Stirn. Sie verstand, dass er beunruhigt war. Selbst wenn sie ihn davon überzeugen konnte, dass Joseph ihm nicht schaden würde, machte er sich mit Sicherheit Gedanken, wie sich ihr Leben, ihr Zuhause, verändern würde. Seit Jahren hielt er nun diese Scharade mit ihrer Hilfe und dank ihrer Diskretion aufrecht, und er hatte es ihr mit seiner Fürsorge, den Jungs, hübschen Kleidern und seinem guten Namen gedankt. Bestimmt hatte er gehofft, dass es immer so bleiben würde.
    »Es könnte nett sein, mehr Leute im Haus zu haben.« Sie sah nach unten und rieb sich den Nacken, der von der langen Zugfahrt immer noch steif war. »Ich habe mir überlegt, dass wir vielleicht wieder mehr Gäste haben könnten.« Sie wartete. »Vielleicht könnte … Raymond irgendwann einmal zum Abendessen kommen.«
    Er starrte sie an. Sie starrte zurück. Sie feilschte nicht mit ihm. Sie hatte es nicht nötig, zu feilschen, und das wussten sie beide. Sie hatte ihn in der Hand. Aber sie wollte ihm begreiflich machen, dass es auch für ihn von Vorteil war, wenn sie mit diesem neuen Arrangement glücklich wurde. Und wenn sie diese Chance bekam, warum sollte es ihr etwas ausmachen, Raymond Walker zum Essen einzuladen? Seit nunmehr zwanzig Jahren wusste sie, dass er und Alan sich immer noch trafen und dafür alles aufs Spiel setzten. Ihre Briefe und gegenseitigen Geschenke hatten ihr so viel Kummer bereitet. Aber jetzt hatte sie das Gefühl, zum ersten Mal objektiv zu sein, und war weder gewillt, sie zu verurteilen, noch ihnen Hindernisse in den Weg zu legen. Denn war sie nicht genauso entschlossen, öffentliche Schande, sogar eine Haftstrafe zu riskieren, nur um herauszufinden, ob Joseph und sie einander lieben konnten? Daraus folgte, dass sie dasselbe für Joseph empfand, was Alan für Raymond empfand, ein Gefühl, das er nicht vergessen oder unterdrücken konnte. Was sie einst bitter gemacht hatte, rief jetzt in ihr Mitgefühl, sogar Bewunderung hervor. Sie konnte nur hoffen, dass auch sie, für die das Risiko genauso groß war, einen Weg fand.
    Alan trommelte mit seinen Fingern auf die Löschwiege. »Willst du den Leuten erzählen, dass du Deutsche bist?« Er kniff die Augen zusammen. »Bist du Deutsche? Hast du das herausgefunden? Hast du etwas über deine Eltern in Erfahrung gebracht?«
    »Nichts von Bedeutung.« Sie zuckte die Achseln. »Sagen wir einfach, dass mein Vater Deutscher war. Meine Mutter auch. Sie starb bei meiner Geburt in New York. Aber sie waren verheiratet. Ich war kein uneheliches Kind.« Sie sah ihn unverwandt an. Wenn sie sich schon eine Geschichte ausdachte, warum nicht gleich eine, die alles erleichterte, nicht nur für sie selbst, sondern für Joseph und Greta und in weiterer Folge auch für Howard und Earle? »Sagen wir, dass ich als Baby in der Obhut einer Verwandten gelassen wurde und mein Vater mit meinem älteren Bruder nach Deutschland zurückgegangen ist. Joseph ist vor dem Krieg nach Amerika ausgewandert, und ich habe ihn in New York aufgespürt.«
    Sie beobachtete Alans Gesicht. Sie konnte sehen, dass er die Geschichte im Geist gründlich durchging. Wenn es irgendwelche Schwachpunkte gab, würde er sie als guter Anwalt und geübter Lügner als Erster entdecken.
    »Und wie bist du zu den Kaufmanns gekommen? Wie willst du das erklären?«
    »Die Verwandte in New York starb. Ich kam mit einem Waisenzug nach Kansas.« Sie seufzte. »Es ist mir egal, wenn das alle wissen. Das ist meine geringste Sorge.«
    Alan blinzelte. »Verstehe.« Er schien verwirrt. Sein Mund stand leicht offen und sein Blick forschte in ihrem Gesicht, als wäre er sich nicht ganz sicher, wer sie war. Sie verstand, was in ihm vorging. Ihr Leben, sein Leben, hatte so viel sorgfältige Planung seinerseits erfordert, jede Entscheidung war auf Heimlichkeit und Überleben ausgerichtet gewesen, jedes Argument und jede Rechtfertigung im Voraus einstudiert. Und jetzt hatte sie ihn in einen Hinterhalt gelockt, indem sie ihn mit ihren eigenen Wünschen und Plänen konfrontierte. Er würde eine Weile brauchen, um sich zurechtzufinden, um zu begreifen, dass dieses Aufbegehren real war. Aber sie hatte unwillkürlich das Gefühl, dass sie zu einer Übereinkunft oder zumindest zu dem, was man den Beginn einer Übereinkunft nennen könnte, gekommen waren. Wenn es sein musste, würde sie ihn zwingen, ihr zu

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