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Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Titel: Das Schmetterlingsmädchen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Moriarty
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helfen, aber lieber würde sie sich seine Liebe erhalten. Sie schwieg, aber sie sah ihn auf eine Art an, die ihm möglicherweise vermittelte, was sie dachte. Sie achtete darauf, nicht zu lächeln. Sie wollte nicht, dass er wieder mit der Faust auf den Tisch schlug. Aber sie freute sich wirklich, ihn zu sehen, endlich wieder zu Hause zu sein.
    Innerhalb einer Woche hatte Joseph Arbeit an einer Presse bei Coleman Lanterns, wo Alan bei einem ehemaligen Klienten ein gutes Wort für ihn eingelegt hatte. Seine Schicht begann vor Morgengrauen, und deshalb war es Cora, die Greta an einem schwülen Septembertag an ihrem ersten Schultag begleitete. Greta trug das hübsche blaue Kleid, das Cora im Innes Department Store für sie gekauft hatte, und ihr blondes Haar war frisch gewaschen und gekämmt. Cora versicherte ihr, dass ihr die Schule gefallen würde, dass die Lehrer freundlich und viele der anderen Mädchen nett sein würden. »Wenn eine es nicht ist, beachte sie einfach nicht«, sagte sie. Greta blickte aus ernsten Augen zu ihr auf, und Cora hatte Angst, das Kind grundlos nervös gemacht zu haben. Vielleicht passte Greta in ihrem hübschen neuen Kleid einfach dazu. Sie war schüchtern und unsicher, aber sie hatte keinen Akzent, und auch wenn andere Eltern vielleicht gehört hatten, dass ihr Vater Deutscher und sie gerade erst aus New York gekommen war, bestand die Möglichkeit, dass niemand sich dafür interessierte. Die Menschen waren nicht mehr so engstirnig wie in Coras Jugend, und Wichita war eine relativ große Stadt, in der ständig Leute kamen und gingen. Vielleicht fand Greta Freundinnen. Und wenn nicht, war es auch in Ordnung. Immerhin hatte sie den Tod ihrer Mutter und die Jahre im Waisenhaus überstanden. Wenn die anderen Kinder sie ausgrenzten, würde sie es verkraften, genau wie Cora es verkraftet hatte.
    Trotzdem bekam sie Herzflattern, als sie den Schulhof betraten, auf dem es bereits von lachenden, herumtobenden Kindern wimmelte und Cora Gretas junge Lehrerin im Schatten stehen sah. Seltsam, sie konnte sich nicht erinnern, sich um Howard und Earle solche Sorgen gemacht zu haben, nicht einmal, als die beiden noch klein waren. Vielleicht hatte sie einfach gewusst, dass ihre Söhne, gestärkt durch die behaglichen Jahre daheim und durch den Umgang miteinander mit Selbstvertrauen ausgestattet, gut zurechtkommen würden. Greta, die immer noch sehr dünn war, wirkte viel verletzlicher. Cora wusste nicht, ob es den Kaufmanns genauso gegangen war wie ihr, ob sie sich deshalb so viel Mühe gegeben hatten.
    »Wann sehe ich meinen Papa?«, fragte Greta. »Wann kommt er mich abholen?«
    Cora, die die Angst in der Stimme des Mädchens hörte, ging in die Hocke und lächelte. »Dein Vater arbeitet bis fünf Uhr nachmittags, und dann bist du längst wieder zu Hause. Wir essen alle zusammen zu Abend. Onkel Alan bringt etwas ganz Besonderes zum Nachtisch mit, weil du so tapfer bist. Und ich bin um drei Uhr hier und warte auf dich. Wenn du willst, können wir uns auf dem Heimweg Popcorn kaufen, und du erzählst mir alles über deinen ersten Schultag.«
    Sie küsste Gretas warmen Scheitel und drängte sie sanft zum Tor. Mehr konnte sie nicht tun. Es hatte keinen Sinn, ihr zu versichern, dass es ein schöner oder auch schwerer Tag werden würde; Cora wusste nicht, was ihr bevorstand, weder heute noch an irgendeinem anderen Tag. Sie konnte nur versprechen, um drei da zu sein, um zu trösten, zu feiern oder Strategien zu entwickeln, diesem Kind, so gut sie konnte, zu helfen, es an der Hand zu halten und nach Hause zu bringen.
    Ende Oktober, in der ersten kühlen Nacht, kam Joseph an ihre Tür und klopfte leise an. Er sagte nichts, sah sie nur an und wartete, aber sie war noch wach und drehte sich im Bett zu ihm um, und als er ihre Hand nahm, zog sie ihn an sich. Mittlerweile zahlte er Alan Miete und steuerte etwas zu den Haushaltskosten und Lebensmitteln bei. Er verdiente nicht annähernd so viel wie Alan, und seine Beiträge waren im Grunde überflüssig. Aber er hatte sie nicht berührt, es nicht einmal versucht, ehe er über eigenes Geld verfügte. Deshalb war sie, als er kam, ebenso aufgeregt wie getröstet, weil sie wusste, dass er aus reinem, aufrichtigem Verlangen zu ihr kam. Ihr Verlangen nach ihm war genauso rein. Sie wollten nichts voneinander außer einander – keine Kinder, keine Sicherheit, keine gesellschaftliche Anerkennung. Was zwischen ihnen war, ging niemanden sonst etwas an. Niemand sonst außer Alan und

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