Das Schmetterlingsmädchen - Roman
A Social Celebrity mit dem allseits beliebten Adolphe Menjou als Partner. Als der Film in Wichita vorgeführt wurde, gingen Cora und Joseph ihn anschauen und nahmen Greta mit, die mit ihren zehn Jahren fast bis an Coras Schultern reichte und deren blondes Haar nach all den Sommern in der Sonne von Kansas noch heller geworden war. Sie behauptete steif und fest, dass sie sich noch genau an das hübsche dunkelhaarige Mädchen erinnern konnte, das sie als Sechsjährige in New York kurz gesehen hatte. Sie hatte Toast und Marmelade gegessen, sagte sie, und sich unter dem Tisch versteckt, als das hübsche Mädchen hereinkam, und das Mädchen hatte über irgendetwas gelacht. Als wären diese Details nicht Beweis genug, zog Greta im Kino in dem Moment, als Louise auf der Leinwand erschien, scharf den Atem ein und packte Cora am Arm. »Das ist sie!«, wisperte sie. »Ich erinnere mich an sie, Tante Cora! Sie sieht noch ganz genauso aus!«
Joseph ermahnte sie freundlich, still zu sein. Cora brachte kein Wort heraus. Mit offenem Mund starrte sie auf die Leinwand. Da war Louise mit den dunklen Augen, die unter den Stirnfransen hervorblitzten, und dem vertrauten strahlenden Lächeln. Es überraschte Cora nicht, dass Louise Erfolg hatte, aber es war trotzdem aufregend, einen Menschen, den sie kannte, in einem richtigen Film zu sehen. Aber Greta irrte sich – Louise sah nicht mehr ganz genauso aus wie in jenem Sommer. Ihr Haar war noch kürzer geschnitten als damals, und ihr Gesicht war ein wenig schmaler und eckiger geworden und ähnelte dem ihrer Mutter. Ihre Augen waren dick umrahmt, die Lider dunkel geschminkt. Sie spielte den typischen Flapper, ein modernes Mädchen, ein kesses Ding, das nach New York wollte, um Tänzerin zu werden. Das erforderte natürlich kein großes Können, aber sie spielte ihre Rolle recht gut, fand Cora. Und in welche Richtung sie sich auch drehte, welchen Ausdruck sie auch zeigte, ihr strahlendes Gesicht stach immer ins Auge. Wenn sie in einer Szene auftrat, war es schwer, woanders hinzusehen. Am Anfang des Filmes trug sie einfache Kleidchen, am Ende ein tief ausgeschnittenes, mit Perlen besetztes Abendkleid und keinen Schmuck um ihren hellen Hals.
Am nächsten Tag zitierte ein triumphierender Wichita Eagle eine Kritik aus New York: »In diesem Film tritt ein Mädchen namens Louise Brooks auf. Vielleicht haben Sie noch nie von ihr gehört. Keine Sorge – das werden Sie!«
Und auf einmal schienen ihr Gesicht und ihr Name überall zu sein. Ihre Studioporträts wurden in Photoplay, Variety und Motion Picture Classic abgebildet. Manchmal starrte sie mit verruchtem Blick in die Kamera, manchmal lächelte sie lieblich, und immer bildete ihr dunkles Haar in Schwarz-Weiß einen scharfen Kontrast zu der hellen Haut. Noch vor Freigabe ihres nächsten Filmes nahmen die Klatschkolumnisten sie ins Visier. Es erschienen Berichte über Louise, wie sie in teuren Restaurants dinierte und in Nachtclubs tanzte, und dann gab es Gerüchte, dass sie in New York mit Charlie Chaplin gesehen worden war, der, wie die Journalisten gern vermerkten, nicht nur verheiratet, sondern auch doppelt so alt wie sie war. In den Magazinen war ebenfalls zu lesen, dass Louise zur Denishawn-Truppe gehört hatte, bis sie wegen ihrer Allüren gefeuert wurde. Kurz darauf wurde sie ein Ziegfeld Girl und lebte, obwohl sie noch minderjährig war, frei und ungebunden im Algonquin Hotel, bis man sie wegen anstößigen Benehmens hinauswarf. Von all den kurzhaarigen, kurzberockten Mädchen, die in jenem Jahr auf der Leinwand zu sehen waren, schien Louise Brooks diejenige zu sein, die auch im wirklichen Leben wild und rebellisch war. Howard schrieb Cora, dass er auf seine Kommilitonen beim Jurastudium großen Eindruck gemacht hatte, als er ihnen erzählte, dass er nicht nur mit Louise Brooks zur Schule gegangen war, sondern seine liebe Mutter einen ganzen Sommer lang ihre Anstandsdame gespielt hatte. »Die Typen waren alle neidisch«, fügte er hinzu. »Aber keiner findet, dass du zu beneiden warst!«
Mit Fug und Recht, dachte Cora. Jetzt war es ihr noch stärker bewusst als damals – in jenem Sommer in New York hätte sie genauso gut versuchen können, den Wind oder die Zeit selbst festzuhalten. Schon damals war Louise eine Naturgewalt gewesen. Aber als sie zusammen in diesem stickigen, kleinen Apartment wohnten und Cora Louise gezwungen hatte, sich die Schminke vom Gesicht zu waschen, hatte sie wirklich geglaubt, nicht nur das Richtige, sondern
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