Das schmutzige Spiel Kommissar
angerührt!"
Clarissa stand auf.
„Ich will ein paar Freunde besuchen", meinte sie mit gespieltem Gleichmut. „Ich möchte endlich mal auf andere Gedanken kommen."
„Du willst mich allein lassen?" fragte die Gräfin mit leicht zittriger Stimme.
„Warum nicht?" erwiderte Clarissa scharf. „Du warst doch immer allein, nicht wahr? Du hast in Ridden Cross gewohnt und dich nicht im geringsten darum gekümmert, was deine Tochter in London treibt. Ist es nicht so? Schaue mich also bitte nicht so entsetzt an, wenn ich wegen deines Hierseins keine Freudenfeuer entzünde und mein Leben so weiter führe, wie ich es gewohnt bin!"
„Clarissa..."
In die Augen des Mädchens traten plötzlich Tränen. Einen Moment sah es so aus, als wolle sie die Mutter wegen der harten, anklagenden Worte um Verzeihung bitten, aber dann wandte sie sich mit einem Ruck ab und verließ das Zimmer. Die Gräfin blieb wie betäubt zurück.
Warum mußte das alles so kommen? fragte sie sich. Clarissa hat ja recht. Ich lebte bisher allein und zurückgezogen, ich verbohrte mich in meinen Gram und vernachlässigte Clarissa. Darf ich mich überhaupt über sie beschweren? Was habe ich denn schon getan, um sie zu leiten? Es genügt nicht, daß eine Mutter der Tochter das Beste wünscht. Sie muß auch handeln; sie muß jede Stunde opfern, um ihrem Kind Vorbild und Stütze zu sein. Jetzt ist es zu spät. Alles ist verfahren. Es gibt kein zurück mehr. Seit jenem Tag, wo die Unglückskugel meinen geliebten Mann traf, habe ich aufgehört, wie ein richtiger Mensch zu leben. Seit jenem Tag bin ich nur noch ein Schatten meines früheren Selbstes.
Sie wußte nicht, wie lange sie so gesessen und vor sich hin gegrübelt hatte. Der Tee in ihrer Tasse war längst erkaltet, als plötzlich Gretchen einen Besucher meldete.
„Meine Tochter ist weggegangen."
„Der Besucher wünscht Sie zu sprechen, gnädige Frau."
„Wer ist es?" hörte sich die Gräfin fragen, obwohl sie sofort begriff, daß es nur Berger sein könne. Für den Bruchteil einer Sekunde erfüllte sie die Hoffnung, daß irgendein Polizeibeamter gekommen war, um die eine oder andere Auskunft einzuholen. Aber dann sah sie schon hinter Gretchen das bekannte, gutgeschnittene Männergesicht mit dem diabolischen Grinsen auftauchen.
„Darf ich eintreten?" fragte Lait und trat an Gretchen vorbei ins Zimmer, ohne eine Antwort abzuwarten. Das Dienstmädchen betrachtete ihn überrascht und erstaunt; sie war es nicht gewohnt, daß sich die Besucher so ungezwungen in den Vordergrund spielten.
Die Gräfin hatte Mühe, ihre Stimme beherrscht klingen zu lassen.
„Es ist gut, Gretchen", sagte sie. „Vielen Dank. Sie können gehen.“
James Lait wartete, bis sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte. Dann marschierte er in die Mitte des Zimmers. Dort blieb er stehen und schaute sich um. Genau wie in Ridden Cross hatte sein Blick etwas Besitzergreifendes. Es war, als wolle er sich davon überzeugen, ob die Dinge, die er zu vereinnahmen gedachte, auch wirklich der Mühen wert waren, denen er sich unterzog. Mit einem Ruck wandte er sich der Gräfin zu.
„Überrascht?" fragte er. „Ich muß Ihnen gestehen, daß ich in der Nähe des Hauses in meinem Wagen darauf gewartet habe, daß Ihre Tochter das Gebäude verläßt. Sie kommt doch hoffentlich nicht so schnell zurück?"
Die Gräfin erwiderte mit spröden Lippen: „Ich weiß nicht, wann sie nach Hause kommen wird. Ich weiß nur, daß Ihre Unverfrorenheit hart an der Grenze des Schwachsinns liegt. Wie können Sie nach allem, was Sie getan haben, die Dreistigkeit besitzen, mir unter die Augen zu treten?"
Lait seufzte. „Mir ist klar, was Sie denken. Sie vermuten, daß ich diesen Mann getötet habe. Sie täuschen sich. Ich habe mit der Sache nicht das geringste zu tun."
Die Gräfin hatte die ganze Zeit befürchtet, daß er diese Behauptung aufstellen und ihr den einzigen Trumpf, den sie besaß, aus der Hand schlagen würde. Sie hatte allen Grund, ihm zu mißtrauen. Sie hielt ihn nach wie vor für den Mörder, aber sie wußte auch, daß sie im Gegensatz zu ihm und seinen Kenntnissen keinerlei Beweismaterial besaß, womit sie ihn in die Enge treiben konnte.
„Sie waren es", flüsterte sie. „Wer hätte es tun sollen... außer Ihnen?"
„Das spielt doch gar keine Rolle", meinte er. „Mir ist es ziemlich gleichgültig, wer die Tat beging. Ich bin nicht hier, um Detektiv zu spielen. Ich bin gekommen, um mit Ihnen über mein Geld zu sprechen."
„Soll das
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