Das schmutzige Spiel Kommissar
wollte?"
Clarissa starrte dem Inspektor in die Augen.
„Das ist nicht wahr!"
„Wen", meinte der Inspektor mit freundlicher Geduld, „hätte er denn sonst besuchen sollen? Ihre Frau Mutter etwa — oder gar das Stubenmädchen? Oder meinen Sie, daß er sich mit John zu unterhalten wünschte?"
„Ich weiß es nicht."
„Hören Sie, meine Liebe — Sie begreifen doch hoffentlich, daß Sie sich in keiner beneidenswerten Position befinden. Wir wissen, daß Raynes ein übler Wucherer war, ein Mann, der die gelegentliche Geldverlegenheiten der High Society ausnützte. Wir haben daher Grund zu der Annahme, daß Sie zu seinen Klientinnen zählten. War es nicht so, daß er Sie in der vergangenen Nacht zu erpressen versuchte?"
„Warum hätte er das tun sollen — und mit welchen Argumenten?"
„Möglicherweise weigerten Sie sich, seine Zahlungsbedingungen zu erfüllen — vielleicht begingen Sie irgendeinen Wechselbetrug — ich habe nicht die geringste Ahnung. Aber ich bin davon überzeugt, daß er etwas gegen Sie in der Hand hatte. Darum entschlossen Sie sich, ihn zu töten —"
Clarissas Augen weiteten sich. „Das ist doch nicht Ihr Ernst, Inspektor!"
„Entspricht - meine Vermutung nicht der Wahrheit?"
Clarissa atmete heftig. „Innigen Dank für die Freundlichkeit, mich des Mordes an Mr. Raynes zu verdächtigen!" sagte sie mit scharfer Stimme. „Wenn Sie schon so weit gegangen sind, das zu behaupten, können Sie mir sicher auch verraten, aus welchem Grunde ich den Toten im Schloß liegen ließ — und warum ich nichts unternahm, um die Spuren der Tat zu beseitigen!"
„Wahrscheinlich hofften Sie, daß der Verdacht nicht auf Sie fallen würde."
„Ich kann nicht sagen, daß Sie es sich sonderlich schwer machen, Inspektor", höhnte sie.
„Ich suche das Motiv und den Mörder — das ist alles."
„Mit diesen unzulänglichen Methoden werden Sie weder das eine noch das andere zuwege bringen."
„Immerhin konnte ich Sie der Lüge überführen."
„Na und? Ich habe einen Fehler begangen, das gebe ich zu — aber deswegen bin ich doch keine Mörderin!"
„Wie ist das eigentlich", fragte Allyson gedehnt. „Haben Sie schon früher mal jemand im Schloß empfangen — zu nächtlicher Stunde, meine ich, und ohne Wissen Ihrer Frau Mutter?"
Clarissa war gewarnt. Sie ahnte, daß der Inspektor mehr wußte, als er zuzugeben bereit war, und darum hielt sie es für ratsam, die volle Wahrheit zu sagen.
„Ja, das habe ich getan."
„Warum?"
„Ach, wissen Sie — die Männer waren komisch — wie Kinder! Sie wollten unbedingt mal in einem richtigen Schloß übernachten. Sie waren Künstler und meinten, die ,Atmosphäre' auskosten zu müssen — das ist alles. Da ich wußte, wie Mama über meine Freunde denkt, konnte ich die jungen Männer nur heimlich empfangen. Sie irren übrigens, wenn Sie annehmen, daß die Besuche einen — amorösen Hintergrund hatten."
„Hat Raynes Sie jemals bedroht?"
„Nein."
„Haben Sie Geld von ihm geliehen?"
Clarissa zögerte eine Sekunde mit der Antwort, dann sagte sie: „Ja."
„Hat er die Beträge termingerecht zurückerhalten?"
„Natürlich. Sonst hätte er mir schwerlich immer wieder Geld angeboten. Ich habe seine fragwürdigen Dienste übrigens nur wenige Male in Anspruch genommen."
„Schulden Sie ihm noch Geld?"
„Nein."
„Mußten Sie für die erhaltenen Summen quittieren?"
„Gewiß."
„Wo bewahrte Raynes die Quittungen auf?"
„Keine Ahnung. Ich sah immer nur, wie er sie in die Brieftasche schob."
„Was war das für eine Brieftasche?"
„Ein ganz gewöhnliches Ding . . . ziemlich abgegriffen und aus braunem Leder. Das Leder war genarbt."
„Kennen Sie seine Wohnung?"
„Ich war zweimal dort, um geliehenes Geld zurückzuzahlen."
„Besaßen Sie einen Schlüssel?"
„Nein."
„Ist es vorgekommen, daß er versucht hat, Sie in seiner Wohnung zu bedrängen?"
Clarissa zuckte mit den Schultern. „Er ist nie frech geworden, wenn Sie das meinen . . . aber er hat mir wiederholt einen Heiratsantrag gemacht."
„Sehr interessant. Wie hat er ihn begründet?"
„Er behauptete, mich zu lieben."
„Was antworteten Sie darauf?"
„Ich lachte ihn aus. Er war mir völlig gleichgültig, Inspektor. Ich empfand für ihn weder Zu- noch Abneigung."
„Warum wollte er Sie gestern im Schloß besuchen?"
Clarissa lächelte ein wenig schmerzlich und schüttelte leise den Kopf. „Lieber Inspektor, versuchen Sie doch bitte nicht, mich mit diesen wie zufällig
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