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Das Schneemädchen (German Edition)

Das Schneemädchen (German Edition)

Titel: Das Schneemädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eowyn Ivey
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und dazu noch ein Stück Elchbraten für den Welpen gab, konnte sie nicht länger an sich halten.
    «Garrett, versprich mir etwas», bat sie ihn, fast im Flüsterton. Jack musste nicht unbedingt hören, was sie zu sagen hatte.
    «Klar. Was denn?»
    «Versprichst du mir, dass du kein Feuer machst?»
    «Kein Feuer?»
    «Ja. Wenn ihr zum Essen haltmacht oder wenn euch kühl wird. Versprich mir, dass du dann kein Feuer machst, auch kein ganz kleines nur aus Reisig.»
    «Aber warum soll …»
    «Das ist wichtig», sagte Mabel und musste sich beherrschen, um den jungen Mann nicht bei den Schultern zu nehmen und durchzurütteln. «Versprich mir, dass du Faina niemals in die Nähe von einem Feuer kommen lässt.»
    Ihre Stimme war schriller geworden, und Jack sah von den Papieren auf, die er am Küchentisch las, widmete ihnen aber gleich wieder seine Aufmerksamkeit. Mabel zwang sich zur Ruhe.
    «Ich weiß, es klingt nach einem seltsamen Ansinnen, aber versprichst du es mir?»
    Garrett sah sie freundlich an, und einen Augenblick war sie versucht, ihm die Wahrheit zu sagen. Vielleicht klänge es ja so absurd, dass sie beide darüber lachen könnten und es niemals dazu kommen würde.
    «Ich verstehe es zwar nicht, aber ich verspreche es», sagte Garrett ernst. «Und ich würde niemals zulassen, dass Faina etwas Böses geschieht. Das wissen Sie doch hoffentlich.»
    Aus seinem Gesicht konnte sie ablesen, dass er glaubte, was er da sagte.

Kapitel 44
    Die Bärenhöhle war ein Geschenk, das Faina ihm mit Vorbedacht und einem gewissen Gespür für seine Neigungen gemacht hatte. Garrett brauchte geraume Zeit, um sich ein gleichermaßen bedeutsames Geschenk auszudenken, und fürchtete anfangs, mit dem Welpen das Falsche gewählt zu haben. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie sich vor ihm ängstigen würde.
    Wochen später war er sich seiner Sache schon sicherer. Der Welpe wuchs und gedieh unter ihrer Fürsorge, sein schwarzes Fell war dicht und glänzend. Er ließ Faina nie aus den Augen, von denen eines blau und das andere braun war. Wenn er meinte, sie sei verschwunden, saß er da und wartete trübsinnig und gemessen wie ein sehr viel älterer Hund. Kehrte sie zurück, hüpfte und jaulte er vor Freude. Sie hatte ihm immer noch keinen Namen gegeben, brauchte aber nur zu pfeifen wie eine Meise, damit er bei Fuß kam.
    Und Faina – sie war wie verwandelt. Begegnete Garrett nicht mehr still und ernst, sondern lachte und tanzte. Sie und der Welpe jagten einander in immer engeren Kreisen, bis das Mädchen kichernd in den Schnee fiel und der Welpe sich auf sie stürzte. Wenn sie wieder auf den Füßen stand und den Schnee aus ihren langen Haaren geschüttelt hatte, nahm sie Garrett ab und zu beim Arm und zog ihn durch die Bäume mit sich, dem Welpen hinterher, und dann war ihm, als schwebte er durch einen verschneiten Traum. In jenem Traum küsste er mitunter gar ihre kühlen, trockenen Lippen.
    Nun, auf ihrem Weg über den Wolverine, gleißte die Sonne im Schnee, auf jedem Zweig und jedem abgestorbenen Blatt glitzerte der Raureif. Die Kälte stach Garrett in der Lunge und biss schmerzhaft, wo sie auf die freien Partien seines Gesichts traf. Erst als sie eine Weile stramm marschiert waren, fühlten sich seine Füße nicht mehr halb erfroren an. Faina und der Hund liefen voraus und warteten immer wieder, bis Garrett sie eingeholt hatte. Bei einem Haufen angeschwemmter Baumstämme machten sie Mittagsrast, und Garrett wollte schon ein wärmendes Feuer entzünden, da dachte er an Mabels flehentliche Bitte. Sie aßen in Wachspapier gewickelte, kalte belegte Brote und fütterten den Welpen mit der gefrorenen Scheibe Elchbraten.
    Wir könnten jetzt zurückgehen, schlug Garrett vor, nachdem sie aufgegessen hatten.
    Nein, nur noch ein bisschen weiter. Bitte?
    Also setzten sie ihren Weg Richtung Norden fort, überquerten hier und da gefrorene Seitenarme oder schlängelten sich durch die Bäume am Ufer. Der Wind hatte den Schnee vom Flussbett fortgeweht, und Garrett sah, wo das bläulich weiße Eis zu großen Wellen aufgeworfen war. Bisweilen zögerte er, es zu betreten, doch Faina winkte ihn zu sich herüber. Er glaubte ihr, vertraute darauf, dass sie wusste, wo das Eis brüchig war und wo fest, und erreichte sie stets unbeschadet.
    An einer Biegung ging ihm auf, dass er bisher nie über diese Stelle hinausgelangt war. Dahinter weitete sich das Tal, und in der Ferne schimmerten bläuliche Eisspitzen. Das war die Quelle des Flusses – ein

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