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Das Schneemädchen (German Edition)

Das Schneemädchen (German Edition)

Titel: Das Schneemädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eowyn Ivey
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gegluckt, als wollte sie mir gute Ratschläge geben.»
    «Es tut mir wirklich leid, Mabel. Ich weiß nicht, was ich sonst hätte tun können.» Er ballte kurz eine Faust, spürte, wie sich die Sehnen seiner Hand streckten und entspannten, und fragte sich, warum er Mabel immer wieder enttäuschen musste.
    «Denkst du, ich will dir einen Vorwurf machen?», fragte sie.
    «Wem sonst? Ich habe es schließlich zu verantworten.»
    «Warum kommst du immer wieder zu diesem Schluss? Dass du an allem die Schuld trägst, du und nur du allein? Es ist doch meine Idee gewesen, hierherzuziehen. Ich wollte doch dieses Stück Land und all die harte Arbeit, all die Misserfolge, die damit einhergehen würden. Wenn irgendjemand Schuld hat, dann ich, denn ich trage ja wohl kaum zum Gelingen bei.»
    Jack betrachtete noch immer seine Hände.
    «Verstehst du denn nicht? All dies sollte uns zusammen gehören, meins sein genauso wie deins, alle Erfolge, alle Misserfolge», sagte Mabel und breitete die Arme weit aus, als wollte sie alles umfangen, einschließlich der gerupften Hühner und der nassen Federn.
    «All dies?», fragte er und konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen.
    «Ja, all dies.» Auch sie lächelte. «Jede einzelne dumme Feder. Meins genauso wie deins.»
    Jack beugte sich hinüber, küsste sie auf die Nasenspitze und steckte ihr eine Hühnerfeder hinters Ohr.
    «Einverstanden», sagte er.
    Als sie mit dem letzten Huhn fertig waren, mühten sie sich ab, die Federn aus dem Haus zu fegen, doch es war schier unmöglich, und so konnten sie schließlich nur noch lachen, bis Mabel außer Atem auf einen Küchenstuhl sank und die Beine von sich streckte. Jack wischte sich mit dem Arm den Schweiß von der Stirn.
    «Wer hätte je gedacht, dass es so eine Plackerei ist, ein Huhn küchenfertig zu machen?» Mabel fächelte sich mit einer Hand Luft zu.
    Jack nickte und trug die Hühner in den Stall, wo er sie neben das Elchfleisch hängte. Tiefgefroren würden sie sich hier gut halten, bis Mabel und er es über sich brächten, sie zu verspeisen.
    Als er zurückkehrte, sah er, dass Mabel ein Huhn beiseitegelegt hatte.
    «Das war doch nur Spaß, dass wir heute Abend eins essen, oder?»
    «Es ist nicht für uns.»
    «Für wen dann?»
    Mabel zog Mantel und Stiefel an.
    «Ich bringe es in den Wald.»
    «Wohin?»
    «Dahin, wo du ihr das Essen und die Puppe hingelegt hast.»
    Sie hatte also die ganze Zeit Bescheid gewusst.
    «Aber ein totes Huhn? Für das Kind?»
    «Nein, nicht für sie. Für ihren Fuchs.»
    «Du gibst einem Fuchs aus dem Wald eines unserer Hühner?»
    «Es muss sein.»
    «Wozu?» Jack wurde lauter. «Herrgott, was soll das denn, ein ganzes Abendessen in den Wald zu werfen, wo wir doch selbst kaum über die Runden kommen?»
    «Ich will ihr zeigen …» Mabel hob das Kinn, als brauche sie Mut, es auszusprechen. «Faina soll wissen, dass wir sie lieben.»
    «Und ein Huhn macht ihr das klar?»
    «Du hast es doch gehört, es ist für ihren Fuchs.»
    Während Mabel den nackten toten Vogel in die Nacht hinaustrug, hätte Jack am liebsten über den Aberwitz gelacht. Stattdessen musste er daran denken, was Esther über den Hüttenkoller an dunklen Wintertagen gesagt hatte.

Kapitel 17
    Schon im Näherkommen drangen Jack aus dem Haus plaudernde Frauenstimmen entgegen, und als er mit seinem Armvoll Feuerholz durch die Tür trat, sah er Esther, die ihre Füße ganz unschicklich vor dem Ofen auf einen Stuhl gelegt hatte. Die Aufschläge ihrer dunkelblauen, wollenen Männerhose hatte sie in lange, rot geringelte Strümpfe gestopft. Ihr großer Zeh schaute vorwitzig aus einem Loch hervor, und während Jack Holz nachlegte, wackelte sie in der Wärme wohlig mit den Zehen.
    «Ich habe gerade zu Mabel gesagt, ich hoffe, unser Junge geht euch nicht zu sehr auf die Nerven. Ich weiß wohl, dass er euch diesen Winter ständig auf der Pelle hockt und bestimmt gründlich die Ohren vollquasselt.»
    Mabel reichte ihr eine Tasse Tee, und Esther schlürfte ihn geräuschvoll.
    «Nein, wieso denn.» Jack übersah geflissentlich den entblößten Zeh. «Ganz und gar nicht. Ehrlich gesagt, ich freue mich jedes Mal, wenn er kommt. Ich kann eine Menge von ihm lernen.»
    «Sag ihm das bloß nicht! Das würde ihm direkt zu Kopf steigen, und er würde es uns ständig unter die Nase reiben. Der Junge weiß zwar eine Menge, aber längst nicht halb so viel, wie er sich einbildet.»
    «Ach, na ja. So waren wir wohl alle in dem Alter.»
    «Er mag dich übrigens

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