Das Schneemädchen (German Edition)
Wald, und nur eines grämt sie sehr: Nie ward ihnen ein Kind geschenkt. Eines Wintertages erschaffen sie ein Mädchen aus Schnee.
Leider muss ich sagen, dass die Geschichte in jeder Version einen unglücklichen Ausgang nimmt. Das kleine Schneemädchen kommt mit dem Winter und geht mit ihm, und immer endet es damit, dass es zerschmilzt. Beim Spiel mit den Dorfkindern gerät es zu nah an ein großes Feuer, oder es ergreift beim Herannahen des Frühlings zu spät die Flucht, oder es lernt einen Jungen kennen und entscheidet sich für die sterbliche Liebe – so geschieht es in Vaters Buch.
In der ältesten Überlieferung verläuft sich Mr. Ransome zufolge das Schneekind im Wald. Es trifft auf einen Bären, der ihm anbietet, ihm den Heimweg zu zeigen. Doch es wirft einen Blick auf seine langen Klauen und die scharfen Zähne und befürchtet, er wolle es fressen. Also weist es seine Hilfe zurück. Dann kommt ein Wolf des Weges, der ebenfalls verspricht, es sicher nach Hause zu bringen, doch er sieht kaum weniger furchterregend aus. Auch seine Hilfe weist das Mädchen zurück.
Dann jedoch trifft es auf einen Fuchs. «Ich führe dich nach Hause», verspricht er. Das Kind befindet, der Fuchs sehe freundlicher aus als die anderen beiden. Es greift fest in seinen zottigen Pelz, und er führt es aus dem Walde heraus. Als die beiden beim Haus des alten Ehepaars angelangt sind, bittet der Fuchs um ein fettes Huhn als Entlohnung für seine Dienste. Die beiden Alten jedoch sind arm und wollen den Fuchs überlisten. Sie geben ihm einen Sack, in den sie ihren Jagdhund gesteckt haben. Der Fuchs schleppt den Sack in den Wald und öffnet ihn. Da springt der Hund heraus, setzt dem Fuchs nach und tötet ihn.
Das Schneekind aber ist wütend und traurig. Es verabschiedet sich von den beiden Alten mit den Worten, da die beiden es weniger liebten als auch nur eines ihrer Hühner, kehre es nun zurück zu seinem Vater, dem Winter, und seiner Mutter, dem Frühling.
Als die alte Frau das nächste Mal aus der Tür schaut, sieht sie nur noch die roten Stiefelchen des Mädchens und seine roten Handschuhe und eine Pfütze Wasser.
Welch tragische Geschichte! Ich werde nie verstehen, warum diese Märchen, die doch für Kinder gedacht sind, immer so grausam ausgehen müssen. Ich glaube, wenn ich diese je meinen Enkeln erzähle, ändere ich den Schluss und lasse alle froh und glücklich sein bis an ihr Lebensende. Das dürfen wir doch, nicht wahr, Mabel? Uns ein eigenes Ende ausdenken und uns für Freude entscheiden anstelle von Leid?
Kapitel 16
«Können wir nicht wenigstens eine behalten?», bettelte Mabel. «Die rote Henne. Sie ist so lieb, wir könnten ihr geben, was vom Essen übrig bleibt.»
«Hühner leben nicht allein», antwortete Jack. «Sie brauchen Artgenossen. Alleinsein wäre nicht gut für sie.»
«Kann uns Mr. Palmer denn nicht ein kleines bisschen mehr Kredit geben, nur für ausreichend Futter bis zum Ende des Winters? Das wäre doch nicht so teuer, oder?»
Auf einmal spannte Jack der Kragen am Hals, es wurde ihm zu warm und zu eng im Häuschen. Hühnerfutter, verdammt noch mal. Wer konnte sich denn nicht einmal Hühnerfutter leisten? Der Kaffee war ihnen bereits ausgegangen, und auch der Zucker würde nicht mehr lange reichen.
«Es muss sein.» Er hatte die Tür schon fast hinter sich zugezogen, als er Mabel noch einmal hörte.
«Esther sagt, man soll sie vor dem Rupfen in kochendes Wasser tauchen. Soll ich einen Kessel aufsetzen?»
«Das wäre gut.» Und er schloss die Tür.
Jack war nicht gerade erpicht darauf, die Hühner zu schlachten. Wäre es nach ihm gegangen, hätten sie bis an ihr seliges Ende wohlgenährt im Stall scharren dürfen. Die meisten hatten sich im Sommer als gute Legehennen erwiesen, und er wusste, dass Mabel an einigen besonders hing. Doch man durfte ein Tier, das einem anvertraut war, nicht hungern lassen. Dann war es besser, man brachte es hinter sich und schlachtete es.
Auf dem Weg zum Stall warf er einen schiefen Blick auf die Axt beim Holzstoß. Jetzt wünschte er, seinerseits George um Rat gebeten zu haben. Angeblich hatte seine Großmutter den Viechern mit bloßer Hand den Hals umgedreht, doch meist hieß es ja, man solle dem Huhn den Kopf abhacken und es ausbluten lassen. Ganz gleich wie, angenehm war die Aufgabe nicht.
Ein Dutzend kopfloser Hühner würde er der armen Mabel bald in die Küche tragen, und sie war doch so in sie vernarrt gewesen. Natürlich würde sie tun, was nötig war. Sie
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