Das Schneemädchen (German Edition)
wusste, was kommen würde oder könnte. Wenn sie es sich nur aus ganzem Herzen wünschte. Sie musste nur fest genug daran glauben.
An diesem Glauben hatte es ihr damals gefehlt, als sich in ihrem Leib Leben regte. In der Tiefe ihres Herzens lastete die Überzeugung, dass sie es selbst verschuldet hatte. Während ihrer Schwangerschaft hatte sie sich gefragt, ob sie wirklich zur Mutter geschaffen war, wirklich so viel Liebe geben konnte. Und also war es in ihr gestorben. Ohne diese Zweifel hätte sie ein Kind zur Welt bringen können, das schreiend das Leben begrüßte und gierig an ihrer Brust saugte.
Dieses Mal wollte sie in ihrer Liebe nicht nachlassen, nicht einen Moment lang. Sie wollte wachsam bleiben und wünschen und glauben. Bitte, Kind. Bitte, Kind. Bitte, verlass uns nicht.
Doch dann musste sie wieder an Faina denken, wie sie durch den Wald lief, den wilden Fuchs auf den Fersen, und an Garrett mit seinen Fuchseisen und Schlingen, und sie fragte sich, ob sich das Unvermeidliche tatsächlich verhindern ließ. War es so, wie Ada meinte, dass man das Ende der Geschichte selbst wählen konnte, Freude anstelle von Leid? Oder gab und nahm die grausame Welt, wie es ihr beliebte?
Weder das eine noch das andere war dazu angetan, Mabel zu beruhigen. Angespannt ging sie im Zimmer auf und ab und hielt Ausschau. Immer wieder plagte sie Jack mit Fragen: Wie lange wollte der Junge noch Fallen aufstellen? Wo war er hingegangen? Was hatte er diesmal gefangen? Einmal führte Garrett fröhlich winkend sein Pferd an ihrem Fenster vorbei, einen toten Wolf hinter den Sattel geschnallt, und Mabel hielt die Luft an. Erst als am folgenden Tag Faina in der Tür stand, atmete sie wieder aus und fragte: Wie geht es deinem Fuchs? Und das Kind antwortete: Gut.
Schließlich hielt der März Einzug im Land, und Jack sagte ihr, der Junge würde nun bald seine Fangeisen einsammeln. Endlich konnte Mabel wieder freier atmen. Erste Anzeichen des Frühlings kamen und gingen: Tauwetter, dann Regen, dann wieder Flocken. Die Schneewehen im Hof schrumpften zu kleinen Flecken, doch im Wald lag die Pracht noch hoch. Allmorgendlich überzog Eis die Pfützen; Wasser tröpfelte von den Dachtraufen und gefror zu langen, glasklaren Zapfen.
Als Garrett einmal auf dem Heimweg vorbeischaute, lud Mabel ihn zu heißem Tee und Brot ins Haus ein.
«Und, wie viele Füchse hast du noch gefangen?», fragte sie so beiläufig, als steckte unschuldige Neugier und nicht blanke Verzweiflung dahinter. Sie setzte ihm ein paar Scheiben frisches Brot vor.
«Keinen», sagte er. «Keinen mehr seit dem Silberfuchs. Aber einen Wolf habe ich erwischt. Und ein paar Luchse und Kojoten.» Der Junge fühlte sich sichtlich unwohl, ließ erst die Hände baumeln und stützte dann die Arme auf den Tisch. Nervös scharrte er mit den Füßen und nahm sich ein Stück Brot.
«Wie lange willst du mit dem Fallenstellen noch weitermachen?» Mabel stellte eine Tasse Tee vor ihn hin und blieb abwartend hinter ihm stehen.
«Das Eis auf dem Fluss wird allmählich sulzig», antwortete er mit vollem Mund. «Ein paar Tage noch, dann mache ich die Fallen zu. Ende der Saison.»
Mabel legte ihm den Arm um die Schultern und drückte ihn.
«Wir sorgen uns um dich.» Sie richtete sich auf, peinlich berührt von ihrem Gefühlsausbruch, und strich ihr Kleid glatt. «Jack und ich wollen nicht, dass du auf den Fluss gehst, wenn das Eis nicht fest ist. Und du hast doch schon allerhand gefangen, nicht wahr?»
Der Junge grinste, auch wenn ihre Anwandlung ihn sichtlich verwunderte. «Ein bisschen Geld bringen mir die Pelze dieses Jahr schon ein.»
«Das ist schön für dich», sagte Mabel und machte sich wieder an der Anrichte zu schaffen.
Es war kurz vor Mittag, und Mabel saß mit einem offenen Buch im Schoß dösend vor dem Ofen. Im Winter hatte sie sich kaum einmal gestattet, tagsüber zu schlafen, und sei es nur, um zu beweisen, dass sie nicht im Geringsten am Hüttenkoller litt. Doch heute hatte sie eine sehr unruhige Nacht hinter sich, ständig hatte sie sich mit Albträumen gewälzt. Nun, bei Tageslicht und am warmen Feuer, fühlte sie sich ruhiger und nickte ein.
Die Berührung einer kleinen, kühlen Hand auf der ihren weckte Mabel. Sie schlug die Augen auf, und da stand Faina vor ihr.
Ich habe was, sagte sie und zog an Mabels Hand.
Kind, du hast mich aber überrascht.
Komm schnell, forderte das Mädchen sie auf.
Soll ich etwas zeichnen?
Das Kind nickte und wollte sie
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