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Das Schneemädchen (German Edition)

Das Schneemädchen (German Edition)

Titel: Das Schneemädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eowyn Ivey
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hinaus. Noch schien die Sonne, und der Himmel war wolkenlos, doch der Wind fegte den losen Schnee über den Boden und wirbelte ihn durch die Luft. Halb blind stolperten sie über den Hof.
    «Hier drüben», rief Mabel Esther zu.
    «Was?»
    Sie konnten einander über dem Tosen des Windes nicht verstehen, also bedeutete Mabel Esther, ihr zu folgen, und sie gingen zum Stall hinüber. Vielleicht waren die Engel auf der windgeschützten Seite unversehrt geblieben.
    Doch auch dort fanden sich nur noch ein paar undeutliche Mulden im treibenden Schnee.
    «Siehst du?», rief Mabel gegen den Wind.
    Esther schüttelte den Kopf, zog die Augenbrauen hoch und hob fragend die Hände. Der Wind ließ einen Moment nach und heulte nur noch von fern.
    «Erkennst du da etwas?» Mabel wies auf die Stelle, wo die Schneeengel gewesen waren.
    «Nein, Mabel. Ich sehe nichts als Schnee. Was soll ich denn erkennen?»
    «Sie … Sie waren aber hier.»
    «Wer war hier?» In Esthers leiser Frage schwang Sorge mit.
    Mabel rang sich ein Lächeln ab.
    «Ach, nichts. Nichts.» Sie hakte sich bei Esther ein. «Komm, lass uns hineingehen, bevor der Wind wieder auffrischt. Ich möchte, dass du etwas probierst, was ich aus Moosbeeren zubereitet habe.»

Kapitel 19
    Jack hatte einen Pfad durch die Schneewehen geschaufelt und war dabei, Anmachholz zu spalten, als Garrett auf den Hof geritten kam. Vorn über seinem Sattel hing ein toter Fuchs. Jack stand neben dem Hackklotz und beobachtete den Jungen. Er ritt locker, mit gesenktem Kopf, seine Schultern nahmen entspannt jede Bewegung des Pferdes auf. Erst als Garrett aufschaute und Jack erblickte, wurde erkennbar, wie jung er war. Grinsend setzte er sich im Sattel auf, schwenkte grüßend die Hand über dem Kopf und zeigte auf den toten Fuchs.
    «Na, was bringst du da?»
    «Ist er nicht ein Prachtkerl?» Garrett sprang vom Pferd. Er langte hinauf, packte den Fuchs bei der Halskrause und hob den baumelnden Kopf an.
    «Ein Silberfuchs», verkündete er sichtlich stolz.
    Jack setzte sein Beil ab und kam herüber. Ohren und Schnauze des Fuchses glänzten wie schwarze Seide, doch entlang des Rückgrats und der Seiten war der Pelz silbrig überhaucht.
    «Ist das Frost?»
    «Nein, ganz und gar nicht», antwortete Garrett. «So sind sie – sie haben silberne Grannen.»
    «Der ist wirklich prächtig», bestätigte Jack. «Hast du schon viele von der Sorte gefangen?»
    «Das ist mein allererster. Sie sind nicht gerade verbreitet», erklärte Garrett. «Meistens erwische ich bloß Rot- oder Kreuzfüchse. Haben Sie schon einmal einen Kreuzfuchs gesehen? Der ist teils rot und teils schwarz, auf dem Rücken hat er ein schwarzes Kreuz.»
    Jack kehrte zu seinem Anmachholz zurück und setzte sich auf den Hackklotz. «Hast du in letzter Zeit welche gefangen? Rote, meine ich?»
    «Vor vielleicht einem Monat habe ich einen Kreuzfuchs aus einer Schlinge gezogen. Ein anderer ist mir durch die Lappen gegangen, ist einfach über die Falle drübergestiegen. Da weiß ich natürlich nicht, welche Farbe der hatte.» Garrett lachte über seinen eigenen Witz.
    «Nein, wie auch. Was machst du mit dem hier?»
    «Vielleicht einen Pelzbesatz für den Parka meiner Mutter, dachte ich. Sagen Sie ihr aber nichts davon, ich möchte sie überraschen.»
    «Das wäre ein schönes Geschenk.»
    «Letztes Jahr habe ich ihr Fausthandschuhe aus Luchspelz machen lassen. Betty vom Hotel näht einem so was, wenn man ihr dafür ein paar Häute überlässt. Mützen, Handschuhe. Sie kann das ziemlich gut. Ich möchte mal einen Besatz aus Vielfraßpelz, sollte ich je einen fangen.»
    Jack hätte gerne mit dem Anmachholz weitergemacht, doch der Junge wollte reden, und er ließ ihn. Während er einen neuen Fichtenkloben auf den Hackklotz setzte, stapelte der Junge das fertige Kleinholz und erzählte ihm von den Spuren, die er an diesem Morgen entdeckt hatte – von zahllosen Kaninchen, einem Stachelschwein, ein paar Luchsen und einem einsamen Wolf, der flussaufwärts unterwegs gewesen war.
    «Ist das nicht etwas ungewöhnlich, ein einzelner Wolf?»
    «Wahrscheinlich ein junger Rüde, den das Rudel verjagt hat. Jetzt muss er sich allein durchschlagen. Ich habe ein paar Fallen aufgestellt – rund um einen Elch, der schon vor einer Weile gerissen wurde. Hoffentlich erwische ich ihn.»
    Jack bearbeitete den Fichtenkloben mit dem Beil, und lange Späne sammelten sich auf dem Boden.
    «Dir gefällt das, nicht wahr?», fragte er und holte einen neuen Scheit. «Das

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