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Das schönste Wort der Welt

Das schönste Wort der Welt

Titel: Das schönste Wort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Mazzantini
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euch
immer noch so?«, raunt Gojko mir zu.
    Die Antwort kommt von
Diego: »Ja.«
    »Schade.«
    Wir gehen hinaus,
schlendern durch die Kälte. Die Leute stecken in ihrer Normalität. Die Läden in
der Baščaršija sind alle geöffnet, Unmengen von
Gewürzen, dazu Kupfergeschirr und weiße, goldgesäumte Tuniken.
    Wie sahen die
Gesichter der Juden aus, als sie, ohne es zu erkennen, das Böse erblickten, das
auf sie zukam? Sie dürften nicht anders ausgesehen haben als diese hier. Als
dieser alte Mann, der Lederschnittarbeiten ausführt, und als dieses Mädchen,
das aus der Madrasa kommt, mit ihren von einem Gummiband zusammengehaltenen
Büchern, ihrem Schleier und ihren Jeans.
    Wir gingen in die
überdachte Arena und setzten uns in die Zuschauerreihen. Es war eine große
Sporthalle, eine von denen, die man für die Olympischen Spiele gebaut hatte.
Sebina stand neben einem Haufen blauer Gummimatten. Wir beobachteten sie eine
Weile, ohne dass sie uns sah. Sie hatte sich kaum verändert, war nur ein paar
Spannen größer geworden. Ihre Beine waren nackt, weiß wie Kerzen, ein wenig
plump und von Muskeln gezeichnet, die wie kleine Würste unter der Haut
hervortraten, sie war barfuß und trug einen Wollschal, den sie als Legwarmer
benutzte. Ich sah, wie sie ihn vor einer Übung abnahm und ihn anschließend
gleich wieder um die Beine wickelte wie eine erfahrene Athletin. Es gab wenig
Licht in der Halle, nur zwei Neonstäbe, die weiter unten hingen, die Ränge
lagen praktisch im Dunkeln.
    Dann entdeckte sie
uns. Sie schaute auf, hielt inne und starrte uns an. Ich regte mich nicht.
Erkannte sie mich? Wir hatten miteinander telefoniert, ich hatte sie auf Fotos
wachsen sehen. Jedes Jahr zu Weihnachten schickte ich ihr ein Spielzeug und
etwas Geld, und sie schickte mir dafür Glückwunschkärtchen, ausgeschnittene
Papierengel. Sie rührte sich nicht weg, blieb auf ihrem Platz, in der Gruppe
bei den anderen Mädchen, diszipliniert. Doch alles, was sie von nun an tat, war
für mich bestimmt, für meine Augen, die ihr zuschauten. Ich sah sie am Barren
und auf dem Schwebebalken, ich sah sie auf dem Pferd, sah, wie sie sich an den
Griffen festhielt und sich kerzengerade hinaufschwang, mit dem Kopf nach unten
und uns zugewandt. Sie hatte mir in ihren Briefen von dieser Leidenschaft
geschrieben, doch sie zu sehen war etwas ganz anderes. Sie verpatzte einen
Abgang und fiel hin. Doch dann schlug sie eine Serie von Rädern quer durch den
Raum, wie eine kleine Flamme, und landete in einem perfekten Spagat.
    Wir trafen uns auf
dem Linoleumflur, weiter vorn das Licht der Umkleideräume. Ich rief sie, als
sie mich suchte. Sie drehte sich zu mir um und lief los. Sie hatte noch
dasselbe zerdrückte Gesicht wie schon als Neugeborenes, denselben Mund, diese
vorstehende Oberlippe, wie ein Bläschen, das immer noch das vom Stillen zu sein
schien. Ich fing sie auf, ich glaube, wir fingen sie zusammen auf, Diego und ich.
Wir machten uns diesen Geruch streitig, diese zarte, verschwitzte Haut.
    »Mein Schatz … mein
hübscher Schatz …«
    »Gemma … Diego …«
    »Sebina …«
    Was ist Freude? Das
ist sie, dieser abgelegene Flur, ranzig von guten Gerüchen, und dieser kleine,
angeklammerte Körper.
    Sie war winzig, aus
der Nähe war sie viel kleiner.
    »Aber schwer bist
du«, sagte ich zu ihr.
    » To su mišići «, das sind alles Muskeln.
    Gojko wohnte
inzwischen für sich, holte Sebina aber fast jeden Abend ab. Er wartete vor den
Duschen auf sie, manchmal half er ihr beim Haaretrocknen, manchmal setzte er
ihr die Fleecemütze auf, und sie gingen so hinaus. Wenn er in der richtigen Stimmung
war, führte er sie aus; in einer Imbissbude mit hohen Stühlen, wo man mit dem
Blick zur Wand kaute und aus der man nach Fett riechend wieder herauskam, aßen
sie einen mit Äpfeln und Honig gefüllten Pfannkuchen. Zwischen zwei Bissen
unterhielten sie sich, ohne sich anzusehen. Er fragte sie nach ihrem Tag, nach
der Schule, wie ein großer Bruder, wie der Vater, den es nicht gab. Sebina
plapperte viel zu schnell, sodass Gojko Mühe hatte, ihr zu folgen. An der
Schule gefielen ihr nur zwei Dinge, das Fenster im Flur, das auf die
Parkanlagen an der Miljacka hinausging, wo sich die Liebespärchen küssten, und
die Versuche im Chemielabor. Sie wollte eine Spitzensportlerin im Turnen werden,
doch sie wuchs nur wenig.
    »Ich bin die
Kleinste.«
    Ihr Bruder wischte
ihr mit der Hand den Mund ab. »Die Kleinen haben die bessere Bodenhaftung.«
    Wenn sie traurig

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