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Das schönste Wort der Welt

Das schönste Wort der Welt

Titel: Das schönste Wort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Mazzantini
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suche Diegos
Blick, er schaut aus dem Fenster, auf den Sportplatz und auf den Korb ohne
Netz.
    Wir gehen die Straße
entlang. Ich frage Diego, was er davon hält.
    »Willst du das
wirklich wissen?«
    »Natürlich will ich
das wissen.«
    Er wendet sich mir
nicht zu und tippt, als würde er sie zählen, weiter jede Zementsäule an, an der
wir vorbeikommen.
    »Wenn du mich fragst,
ist das eine Nutte.«
    Er bleibt stehen,
schwankt ein wenig und lächelt.
    »Ich denke, dass wir
zum Kotzen sind, mein Schatz.«
    In dem Kleinbus, der
zum Flughafen fährt, sagt uns Oxana endlich die Wahrheit über das Bergwerk. Es
ist eine Uranmine, und die kleine Stadt dort in der Nähe war bis vor wenigen
Jahren in keiner Landkarte verzeichnet, es gab sie nicht.
    »Eine Freundin von
mir hat ihren kleinen Sohn verloren, doch meine Großmutter ist fast neunzig und
hat sich nie von dort weggerührt. Sie hat einen Gemüsegarten und sagt, Uran sei
gut für den Wirsingkohl.«
    Die Postbündel am
Flughafen sind immer noch da, sind noch abgewetzter.
    Ich halte Oxanas
Gesicht fest, und als ich mich von ihr verabschiede, versinkt mein Kinn in
ihrem hellblauen Mäntelchen. Diego gibt ihr alle Dollars, die wir noch haben,
und diesmal nimmt sie sie an, sie steckt sie in ihre Basttasche.
    Wir machten eine
Zwischenlandung in Belgrad, bis zum nächsten Flug waren es noch mehrere
Stunden. Wir lehnten uns an den Tresen einer Cafeteria und bestellten Tee. Da saßen
wir nun, zwischen all den schwarzen Tassen. Neben uns aß ein Mann eine rote,
lange Bratwurst, die vor Fett triefte. Diego stellte seinen Tee weg und
bestellte sich auch eine von diesen Würsten und dazu einen Humpen Bier.
    Ich sah zu, wie er
dieses Grauen verschlang, und sagte nichts. Er aß nicht, er zerfleischte. Ich
sagte Lass
uns eine Runde drehen , er antwortete Geh ruhig .
Ich zappelte mit dem Bein und ließ auch den Barhocker erzittern, auf dem er
saß. Ich wankte durch Asche, wie nach einem Feuer.
    »Hör auf damit.«
    Mein Bein zappelte
immer noch.
    »Bitte.«
    Sein Kinn war fettig,
er sah mich mit einem tiefen Blick an, der von wer weiß wo heruntergefallen
war, flackernd und weit weg in dieser Nähe.
    »Vielleicht sollten
wir uns trennen.«
    Er stand auf.
    »Wo gehst du hin?«
    »Pinkeln.«
    Aber bei den
Toiletten war er nicht. Ich wanderte zwischen den Leuten herum, die auf ihren
Flug warteten, und ging in diese erleuchteten Garagen zu den Regalen mit
Flaschen und Zigarettenstangen. Dann hörte ich auf, ihn zu suchen. Ich dachte zurück.
Fragte mich, wann, in welchem ranzigen Moment wir angefangen hatten, uns zu
verlieren. Ich ging noch einmal zu den Toiletten, wusch mir das Gesicht und
rannte dann zum Gate für den Flug nach Rom. Die Stewardess vom Bodenpersonal
zählte schon die Papierschnipsel.
    Bis zur letzten
Minute blieb ich auf einem der zusammengeklebten Stühle sitzen. Ich drehte mich
um, jemand hatte mir eine Hand auf die Schulter gelegt. Die Frau, die ich auf
dem Hinflug kennengelernt hatte, lächelte mich an. Sie hatte sich ein russisches
Kopftuch umgebunden, das ihren Pony vom übrigen Haar trennte.
    Das Mädchen, das sie
in Pflege nehmen wollte, war zur Adoption in eine andere Familie gegeben
worden.
    »Franzosen.«
    »Das tut mir leid.«
    »Sie haben auch den
kleineren Bruder genommen, drei Jahre alt. Jetzt sind sie zusammen. Für die
Kinder ist das ein Segen. Wir hätten sie nie im Leben beide bekommen. Die
Franzosen sind noch jung …«
    Ich umarmte sie.
Spürte ihren bebenden Körper und ihren Busen, der in einen steifen BH gepresst war.
    Diego kommt in die
gerade entstandene Menschenleere gelaufen. Er setzt sich zu mir.
    »Wolltest du mich
nicht verlassen?«
    »Ich bin
zurückgekommen.«
    »Das Flugzeug ist
weg.«
    »Von wem sind die
Schuhe?«
    »Von der Frau, die
wir auf dem Hinflug getroffen haben. Sie hat sie mir geschenkt.«
    »Wieso denn?«
    »Keine Ahnung. Sie
leuchten.«
    Ich stecke die Hände
in die Schuhchen, fange an, zwischen Bänken und Rohren herumzukrabbeln, und
drücke auf, damit die Sohlen aufleuchten. Diego schaut den kleinen Lichtern
hinterher. Sein Haar ist verstrubbelt, sein Bart zerrauft und seine Augen sind
müde, aber noch lebhaft. Er nimmt seine Leica und drückt auf den Auslöser, ich
lächle mit den Händen in diesen Schuhen.
    »Also ist es wahr«,
sagt er leise.
    »Was denn?«
    »Dass das Leben durch
das Licht spricht wie die Fotografie.«
    Er hilft mir auf und
stützt sich auf mich.
    »Weißt du, wem wir
diese Schuhe mitbringen?«
    Es

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