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Das schönste Wort der Welt

Das schönste Wort der Welt

Titel: Das schönste Wort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Mazzantini
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umgekrempelt, sodass ein Stück Futterstoff zu sehen war. Wie ein
Königspaar nahmen wir im Restaurant Platz und aßen schweineteures Zeug, salzige
Puddings und mit Speiseeis gefülltes Fleisch. Wir tranken auf alles.

Was weiß ich noch von jenem Tag?
    Was weiß ich noch von
jenem Tag? In der Nacht hatte es geregnet, ein heftiges Prasseln hatte die
Fensterscheiben bestürmt, die Donnerschläge hatten uns mehrmals geweckt. Am
Morgen war die Stadt klatschnass und der Himmel eine graue, bedrohliche
Steinplatte.
    »Gehst du nachher
Pfützen fotografieren?«, fragte ich Diego, als ich das Haus verließ. Er
schüttelte den Kopf, er musste auf sein Wasserfest verzichten, musste eine
Arbeit abgeben und würde fast den ganzen Tag in der Dunkelkammer verbringen.
Mein Vater war gekommen, er hatte Kiwis mitgebracht und schälte sie in der
Küche. Diese Früchte waren der neueste Schrei, außen pelzig wie Affen und innen
quietschgrün. Mein Vater erklärte, sie seien ein Konzentrat aus Vitamin C, und
beharrte darauf, dass sie uns Kraft geben würden.
    Ich erbrach die Kiwis
in den Papierkorb unter meinem Arbeitsplatz, eine gallegrüne Ausflockung
überschwemmte meinen Mund.
    In der Pause ging ich
an die Luft, ich fühlte mich besser, und der Regen hatte nachgelassen. Ich
hatte keinen Hunger, und so ging ich in einen Plattenladen, ich wollte ein
Geschenk für Diego kaufen, einen alten Doors-Sampler, der ihm gefiel. An der
Kasse bemerkte ich, dass das Geld in meinem Portemonnaie nur noch für das Album
reichte. Da fasste ich einen Entschluss, und ich weiß nicht, warum. Ich
wartete, dass die Leute vor mir bezahlten, und wurde unruhig, aus meinem
wattierten Mantel stieg eine Hitzewelle auf, die mir die Wangen verbrannte. Ein
Ellbogen hatte mich versehentlich an der Brust getroffen, und ich hatte mit
beiden Händen abgewehrt. Würde ich die Doors-Platte nehmen, könnte ich nichts
anderes mehr kaufen. Noch wusste ich nicht so genau, was mir eigentlich im Kopf
herumspukte, der Gedanke nahm gerade erst Gestalt an, es war ein Gefühl, das
aus der Tiefe meines Körpers aufstieg. Ich warf einen Blick auf die
Riesenposter an der Wand über der Kasse, das von Joan Baez neben dem von Jimi
Hendrix in einer Rauchwolke. Ich ließ die Doors liegen und verließ den Laden.
Ich lief ein paar Schritte und ging in eine Apotheke. Ich wartete, bis der
Kunde vor mir gegangen war, und brachte mit einem von Heiserkeit fleckigen
Flüstern hastig mein Anliegen vor.
    Einen
Schwangerschaftstest, bitte .
    Die Apothekerin kam
mit ihrem kleinen rot-goldenen Kreuz am Kittel und mit einer länglichen,
hellblauen Schachtel zurück. Mir fiel das Geld auf den Boden, ich bückte mich,
um es aufzuheben, lächelte freudlos und verzweifelt.
    Verzweifelt darüber,
dass es nicht wahr sein könnte.
    Ich lief zu einem
McDonald’s. Dem nächstbesten. Auf dem Klo machte ich den Test, mit dem Rücken
an der Tür. In der herrschenden Dunkelheit las ich die Gebrauchsanweisung. Ich
hielt den Stick unter den Strahl, wartete.
    Ich sah, wie sich der
Urin im Mittelteil des Sticks ausbreitete, und draußen dieser ganze Regen. Es
hatte zwei Tage lang geregnet. Die Grundmauern der Stadt waren durchtränkt.
    Der Strich, der eine
Schwangerschaft anzeigte, erschien neben dem anderen, zunächst sehr hell, dann
in einem deutlicheren Blau. Ich war schwanger.
    Wir schliefen seit
mehr als einem Jahr ohne Verhütung miteinander, und es war noch nicht passiert.
Ich war fast vierunddreißig. Jeden Tag entdeckte ich kleine Schuttstücke der
vergehenden Zeit an mir. Ich steckte mir die Haare hoch, schminkte mich und war
noch schön, vielleicht schöner denn als junges Mädchen, doch ich schlingerte
herum zwischen frech und bebend. Und gerade diese Unsicherheit machte mich
menschlicher. Einige Monate zuvor hatte ich an einem x-beliebigen Tag im
Spiegel eines Fahrstuhls die unzähligen Wege gesehen, die meine kleinen, kaum
sichtbaren Falten nehmen würden, wie Schnurrbärte, wie launische Locken,
während sie meine Gesichtszüge umformten. Und ich hatte erkannt, dass das
Epizentrum dieser Explosion ein Kummer ist, der uns von innen zerfrisst. Von
dort gehen die Risse aus, wie bei einer Fensterscheibe, die zerspringt, doch
nicht zusammenfällt. Wir altern nicht Tag für Tag, wir altern schlagartig,
durch einen bitteren Knoten. Ein schadhafter Blitz, der uns trifft und
beschmutzt, breitet Bitterkeit über unser Gesicht.
    Jener feste,
uneingestandene Wunsch löste sich beim Anblick des blauen Strichs in

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