Das schönste Wort der Welt
gekauft. Sie sind gut gelaunt ins Hotel zurückgekommen und
haben ihre Gören ins Bett gebracht, diese beiden Engelchen, die nun mit ihren
blonden Locken auf der verschwitzten Stirn schlafen. Sie haben ein paar Mücken
totgeschlagen. Dann sind sie in ihr Bett geschlüpft. Sie sind ein gut
eingespieltes Paar, wissen, wie man Lust aus dem anderen zieht, ohne einen
Mordskrach zu veranstalten. Die Geräusche sind nur minimal, die des abgenutzten
Bettes, das Schnaufen … Man hört weder Schreie noch schlüpfrige Wörter. Ich
möchte aufstehen, weil es heiß ist, weil ich nicht richtig verdaut habe, weil
Diego schläft und nichts mitkriegt. Dann höre ich einen plötzlichen Schrei, den
Schrei der Seevögel, wenn sie dem Wasser trotzen, wenn sie mit nassem Kopf
wieder auftauchen, nachdem sie für einen kurzen Augenblick die harte Fläche des
Meeres durchpflügt haben.
Was da schreit, ist
eines der Kinder. Jetzt schluchzt es. Ich höre die Stimme der Mutter, ihr
liebevolles Muhen. Sie fickt nicht mehr, diese Arschkuh. Sie hat ihre
Hinterbacken von der Garnitur des Fettwanstes gelöst und ist aufgestanden, um
sich über ihr Gör zu beugen und es mit ihrem Atem zu beruhigen, der jetzt
wirklich der warme Atem einer Kuh ist.
So ist also Sex, wenn
man Kinder hat. Man lässt die Geilheit sausen und beugt sich
stimmungszerknittert und schnurstracks über sein Kleines, um es zu trösten und
ihm über seine Alpträume hinwegzuhelfen. Die Deutsche ist eine gute Mutter. Sie
singt ein Schlaflied. Sie ist wenig attraktiv, zwar jung, doch verblüht wie
eine Frau in mittleren Jahren. Sie hat nichts Schönes an sich, doch ihr Kind
liebt sie wie einen menschlichen Schutzschild, wie einen Liebesturm. Ihr Kind
findet sie wunderschön, taucht seine Nase in den schweren Duft nach Haaren und
nach Haut, die geschwitzt hat, es erkennt den Geruch des Bauches wieder, der
elfenbeinweißen Schmiere der Geburt.
Ich stehe auf dem
Balkon, ich schlafe nicht mehr, der Tag bricht an. Die Luft ist reglos und
frisch und von einem kräftigen Kobaltblau. Mich packt ein zunächst
schluchzender, zaghafter, dann jedoch immer bewussterer Hass. Ich hasse dieses
wimmernde Kind und diese Frau. Doch vor allem hasse ich mich selbst, und dieses
Gefühl gibt mir Trost.
Am nächsten Morgen
isst Diego einen dieser kleinen, mit Honig und Käse durchtränkten Pfannkuchen,
er ist schon in Badehosen.
»Ich habe keine Lust,
zum Strand zu gehen«, sage ich.
Mitten in den Ferien
gibt es immer eine Krise, nach der Gier der ersten Tage kommt die Flaute. Diego
lächelt, sagt, auch er sei ein bisschen müde und werde mir Gesellschaft
leisten.
»In der Nacht hat ein
Kind der Deutschen geweint, ich konnte nicht schlafen.«
»Wir nehmen ein
anderes Zimmer.«
»Ja, lass uns ein
anderes Zimmer nehmen.«
Im Flur treffe ich
die Deutsche, in ihrem Gesicht wohnt eine pralle Röte, die jetzt zum Vorschein
kommt, vielleicht befürchtet die Frau, ich könnte auch alles andere gehört
haben. Als sie vorbeigeht, frage ich: » What was the matter with the child last
night? «
Sie erzählt, dass das
Mädchen seinen Badeanzug verloren und deshalb geweint habe. Es habe schon am
Strand geweint, und offenbar habe es sich in der Nacht im Traum an diesen
Verlust erinnert.
» It was old, but she liked it so much. «
Ich denke an den
heruntergefallenen Badeanzug im Hof und an den Hotelangestellten, der ihn
aufgehoben und in den Müllcontainer geworfen hatte. Ich hatte ihm zurufen
wollen, er solle das nicht tun, ich wisse, dass er von der Balkonbrüstung am Zimmer
der Deutschen gefallen sei. Doch verbittert, wie ich war, hatte ich ihn
gewähren lassen, mit einem diebischen Vergnügen hatte ich zugesehen, wie dieses
verblichene Badezeug verschwand.
Eigentlich waren wir
alle drei ein bisschen traurig, darum gaben wir uns fröhlich. Die Natur
durchdrang uns und brachte uns wieder zu uns selbst. Die Tage vergingen, das
Meer entwässerte meinen Körper. Der salzige Wind gab mir neue Kraft. Schlangen
erwachten unter der von der Sonne schuppigen Haut. Diego badete inzwischen nur
noch selten, das Salz griff seine Augen an, er war lieber auf dem Felsen. Mit
meinem kroatischen Hut schloss ich mich ihm an, barfuß kletterten wir unter dem
sengenden Himmel in die Höhe. Ich hörte Diegos Atem und betrachtete seine Füße,
die greifen konnten wie gefingerte Pfoten. In den Felsen nisteten Seevögel, sie
saßen geduckt in diesen Steinnestern und beobachteten den Wind. Unversehens
stießen sie sich ab und
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