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Das schönste Wort der Welt

Das schönste Wort der Welt

Titel: Das schönste Wort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Mazzantini
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einen Fuß auf eines der dicken Taue gestellt, die das Schiff an Land
hielten, half den Autos bei der Ausfahrt, winkte den Fahrern, die Räder
geradezustellen, und unterhielt sich dabei mit einem Offizier in weißer
Uniform, der neben ihm stand.
    Diego streckte den
Kopf aus dem Fenster, steckte sich zwei Finger in den Mund und stieß einen
seiner ligurischen Gassenpfiffe aus.
    Gojko drehte sich um,
entdeckte uns, und ein breites Lächeln über schiefen Zähnen schloss sein
Gesicht auf. Wir standen noch weit hinten, doch er stürzte auf uns zu, indem er
sich mit katzenartigen Sprüngen zwischen den Motorhauben der wartenden Autos
durchschlängelte. Er presste Diegos Kopf an seine Brust und schrie vor Glück.
Er küsste ihn, sah ihn an, küsste ihn wieder. Und schrie erneut.
    » Dobro došli, Diego! Dobro došli! «
    Dann kam er zu mir
herüber. Ich versuchte, mich vor seinem Überfall zu schützen, er zerrte mich
buchstäblich aus dem Auto, er hob mich auf wie einen kleinen Zweig.
    » Dobro u Hrvatsku, schöne Frau!«
    Er setzte sich an
unser Steuer, und wir fuhren auf die Mole. Dann tauchten wir Arm in Arm in die
kleinen, vom Meer polierten Gassen ein, eng umschlungen wie Bruder und
Schwester. Er bestand darauf, mir einen Hut mit dem rot-weißen Wappen Kroatiens
zu schenken. Ich setzte ihn auf, betrachtete mich in einem Stück Spiegel und
fand den Hut wunderschön, mein Gesicht sah darunter aus wie das von damals.
    Diego war
zurückgeblieben. Er fotografierte den Hafen von oben, wobei er sich über die
Mauer lehnte. Gojko sah über meinen Kopf zu ihm hinüber.
    »Hat er dich
gequält?«, fragte er.
    Er hatte den
typischen Blick eines Mannes vom Balkan, tief, drohend und voller uraltem
Ehrgefühl.
    »Nein, er hat damit
nichts zu tun.«
    Er fragte nicht
weiter.
    »Wir haben Zeit«,
sagte er.
    Er schrie Diego zu:
    »He, du Künstler,
mach ein Foto von mir und deiner Frau!«
    Das Foto habe ich
noch. Gojko hat darauf sein Angebergesicht des armen Opfers, und ich habe den
kroatischen Hut und spindeldürre aus den Shorts ragende Beine. Ein Gesicht habe
ich nicht, weil ein Öltropfen, der Pietro heruntergefallen ist, als er klein
war, es ausgelöscht hat.
    Wir setzten uns unter
die Hibiskuspergola eines Lokals hinterm Stradun, vor uns eine Flasche Wein und
ein Teller mit kleinen, schwarzen Oliven. Mit den Kernen spielten wir zu dritt Weitspucken.
Diego gewann. Er gewann immer. Er hatte eine unglaubliche Kraft in den mageren Wangen.
    Gojko bat Diego, ihm
einen Schuh zu geben. Diego lachte und warf ihm einen seiner Treter zu. Gojko
besah ihn sich lange mit angewidertem Gesicht und gab ihn zurück. Triumphierend
beugte er sich über einen der Mokassins, die er trug, zog ihn aus und zeigte
uns den Schriftzug von Dior darin. Wir nickten entgeistert. Gojko zündete sich
eine Zigarette an und rauchte unter seiner Sonnenbrille.
    »Wo hast du die denn
geklaut?«
    Er sagte, er werde
keine Provokationen dulden, wolle uns aber gern noch eine Runde ausgeben.
    Die Sonne war hinter
dem Vordach hervorgekommen, weiter unten lag reglos und tiefblau das Meer. Wir
waren ziemlich beschwipst.
    Gojko hatte sich
seinen Schuh halb angezogen und trat ihn hinten zu einem Pantoffel herunter,
wahrscheinlich war er zu eng, und er bekam ihn nicht mehr über den
verschwitzten Fuß. Am Hafen standen zwei Armeepanzer.
    »Wozu sind die denn
hier?«, fragte ich Gojko.
    »Die sind von der
Armija, von Zeit zu Zeit werden sie auf Erkundungsfahrt hergeschickt.« Er
schaute mit seiner amerikanischen Sonnenbrille aufs Meer. In der Krajina hatte
es Unruhen gegeben, die Toten von Borovo Selo. Einer der vierzehn Leichname war
ohne Augen zurückgegeben worden, einem anderen fehlte eine Hand. Diego fragte
nach.
    Gojko grinste.
»Streitereien unter Nachbarn, bescheuerter Quatsch.«
    Er zog ein Gadget
hervor, auf das er sehr stolz war, ein halbnacktes, kurvenreiches Gummipüppchen
mit einer Klammer statt des Kopfes. Das sei für Fotos, erklärte er uns, jeder
könne seinen Lieblingskopf auf den Hals klemmen.
    Er kramte in seinen
Taschen und förderte ein kleines Passbild zutage, das er in die Klammer
steckte. Ich erkannte es wieder, es war mein Akkreditierungsfoto für den
Sportpalast während der Olympischen Spiele.
    Er stellte das
Sexpüppchen mit meinem Kopf auf den Tisch.
    »Du warst den ganzen
Winter bei mir.«
    Diego verpasste ihm
einen Fausthieb.
    Die Insel Korčula war mit Weinbergen bestickt, die den
Schutz der gewundenen Meeresbuchten suchten. Wir schliefen in

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