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Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)

Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)

Titel: Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
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über andere redete, obwohl sie ihre Meinung durchaus klar vertrat. Und sie behandelte alle Bediensteten in ihrem Haushalt von der niedrigsten Küchenmagd bis zum Kaplan mit der gleichen Höflichkeit. Doch Mr. Halls Bewunderung für den Duke of Hamilton teilte sie offenbar nicht.
    Mr. Hall allerdings konnte sie sehr wohl leiden, und drei Wochen später weilte der Geistliche immer noch in Slains, ohne dass von seiner Abreise die Rede gewesen wäre.
    Er hielt sich streng an seinen Tagesplan: morgens ein Getränk, dann eine Stunde allein, in der er vermutlich betete, anschließend, egal, ob es stürmte oder nicht, ein Spaziergang entlang der Klippen hoch über der See. Sophia beneidete ihn um diese Wanderungen, weil man von ihr selbst aufgrund ihres Geschlechts erwartete, dass sie sich in Sichtweise des Hauses aufhielt. Doch an diesem Tag schien die Sonne, und alle Lebewesen wurden von jener inneren Unruhe erfasst, die der erste Frühlingshauch mit sich bringt. Als Mr. Hall verkündete, er werde spazieren gehen, bettelte Sophia, ihn begleiten zu dürfen, obwohl er sie vor dem steilen Pfad warnte.
    »Sie werden sich die Schuhe ruinieren.«
    »Dann trage ich eben meine alten. Ich habe keine Angst, wenn Sie vorangehen.«
    Die Countess betrachtete sie belustigt und wandte sich dann Mr. Hall zu. »Sophia ist ausgesprochen robust. Sie können sie ruhig mitnehmen, wenn Sie aufpassen, dass sie nicht zu nahe an den Rand der Klippen herantritt.«
    Also führte er sie erst einmal nicht zu den Klippen, sondern ins Landesinnere, vorbei an brachliegenden Feldern und Gehöften, von wo aus ihnen Kühe mit großen Augen und Kinder mit roten Wangen nachstarrten. Diese Landschaft war Sophia vertrauter als die Küste, deren Wildheit sie faszinierte. So freute es sie, als Mr. Hall vorschlug, doch noch an den Klippen entlangzuwandern.
    Der Himmel war wolkenlos, und der Wind, der ihr nicht mehr ganz so kalt erschien wie in den Tagen zuvor, blies aus Südwest. Auch die Wellen wirkten friedlicher und prallten nicht mit voller Wucht gegen die Felsen, sondern umspülten sie in fast schon sanften Wogen.
    Letztlich war es jedoch nicht das Meer, das Sophias Blick auf sich zog, sondern das Schiff, das unter schottischer Flagge – weißes St.-Andreas-Kreuz auf blauem Grund – mit gerafften Segeln auf die Küste zusteuerte.
    »Was ist das für ein Schiff?«, fragte sie Mr. Hall.
    Sein Anblick schien ihn noch mehr zu überraschen als Sophia, denn er brauchte eine Weile, bis er antwortete: »Das ist die Royal William von Captain Gordon. Will er der Countess nur seine Aufwartung machen oder tatsächlich an Land kommen?«
    Die Antwort auf seine Frage erhielten sie im Salon.
    Der etwa vierzigjährige Mann, der sich zu ihrer Begrüßung erhob, trug eine Kapitänsuniform mit Goldtressen und polierten Köpfen an der langen blauen Jacke, ein weißes, elegant um den Hals geknotetes Tuch und dazu eine Lockenperücke nach der neuesten Mode. »Ihr ergebenster Diener«, sagte er zu Sophia, als diese ihm vorgestellt wurde.
    »Captain Gordon«, erklärte die Countess, »ist ein alter, hoch geschätzter Freund.« Sie wandte sich ihm zu. »Sie haben uns letzten Winter gefehlt, Thomas. Waren Sie verhindert oder wieder einmal auf großer Reise?«
    »Die Royal William lag während der letzten Monate im Hafen von Edinburgh, Mylady. Dies ist unsere erste Fahrt nach Norden.«
    »Und wohin soll’s gehen?«
    »Ich habe den Auftrag, zwischen den Orkneys und Tynemouth zu patrouillieren, obwohl sich das bestimmt ändern wird, wenn die Vereinbarungen über die Union in Kraft treten.«
    »Captain Gordon ist der Kommodore unserer schottischen Fregatten an der Ostküste, die bald in der Marine Großbritanniens aufgehen werden«, erklärte Mr. Hall Sophia.
    »Und wer soll dann unsere Küsten vor Freibeutern schützen?«, fragte die Countess mit einem hintergründigen Lächeln. »Aber bitte, fühlen Sie sich wie zu Hause«, fügte sie hinzu und winkte Sophia auf den Sessel neben sich, während die Herren auf den mit rotem Leder gepolsterten Stühlen beim Fenster Platz nahmen.
    Sophia, die Captain Gordons Blick auf sich spürte, fragte: »Wird dieser Küstenabschnitt von vielen Freibeutern unsicher gemacht, Sir?«
    »Aye«, antwortete der Kapitän. »Die Franzosen und Spanier haben ein Auge auf unsere schottischen Schiffe geworfen.«
    »Das kommt Ihnen vermutlich eher zugute als denen. Dürfen Sie nicht alles behalten, was Sie erbeuten?«, fragte Mr. Hall.
    »Aye«, antwortete

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