Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)
Captain Gordon. »Und nur wenige Schiffe sind schneller als die Royal William . Das gilt auch für die französischen.«
»Ist Ihnen denn in letzter Zeit eines begegnet?«, erkundigte sich Mr. Hall.
»Ich habe keines zu Gesicht bekommen, aber soweit ich weiß, interessiert sich Queen Anne sehr für alle Schiffe, die dieses Frühjahr von Frankreich aus aufbrechen. Meine Anweisung lautet, besonders wachsam zu sein.«
»Tatsächlich?«
»Aye.« Nach längerem Schweigen zuckte der Captain mit den Achseln und sagte: »Man kann nicht überall gleichzeitig sein. Wenn es jemand darauf anlegt, sich an mir vorbeizumogeln, gelingt ihm das auch.«
Die Countess bedachte Sophia mit einem kurzen Blick, bevor sie Captain Gordon bat, über Edinburgh und Neuigkeiten von der Union zu berichten.
Beim Abschied etwa eine Stunde später erklärte er: »Lady Erroll, ich bleibe Ihnen auch weiter treu ergeben, darauf können Sie sich verlassen.«
»Das weiß ich, Thomas. Passen Sie gut auf sich auf.«
»Mir kann keiner etwas.« Lächelnd beugte er sich über ihre Hand, um sie zu küssen, doch er blickte hinüber zu Sophia, während er mit ihr sprach. »Es könnte gut sein«, sagte er, »dass Sie mich dieses Jahr noch öfter sehen werden. Ich habe eine Schwäche für gute Gesellschaft, und die fehlt mir auf meinem Schiff.« Dann küsste er auch Sophia die Hand und verabschiedete sich von Mr. Hall, um sich auf den Weg zu dem Boot zu machen, das ihn zurück zur Royal William bringen würde.
»Ein attraktiver Mann, findest du nicht auch?«, fragte die Countess Sophia, als sie ihm vom Fenster aus nachschauten.
»Ja, sehr.«
»Und ausgesprochen loyal, was man heutzutage selten findet.«
Da meldete sich Mr. Hall zu Wort. »Mylady, wenn Sie mich entschuldigen würden – ich muss meine Korrespondenz erledigen.«
»Ja, natürlich.« Die Countess nickte ihm zu, und der Geistliche entfernte sich. Mit einem Lächeln signalisierte sie Sophia, sich wieder zu setzen. »Er ist verpflichtet, den Duke of Hamilton auf dem Laufenden zu halten.« Erst nach einer Weile fügte sie hinzu: »Was hältst du von ihm?«
»Von wem, Mylady?«
»Vom Duke of Hamilton.«
Was sollte sie sagen? »Er war äußerst zuvorkommend.«
»Das habe ich nicht gefragt, meine Liebe. Ich wollte wissen, wie du seine Persönlichkeit beurteilst.« Als sie Sophias konsternierten Gesichtsausdruck sah, fügte sie hinzu: »Oder glaubst du etwa, dass die Meinung einer Frau nicht zählt? Ich für meinen Teil ziehe sie der eines Mannes vor, weil wir Frauen uns weniger leicht von oberflächlichen Reizen ablenken lassen.«
»Nun, dann muss ich Sie leider enttäuschen, denn ich fand den Duke ausgesprochen charmant, auch wenn wir uns nicht ausführlich unterhielten.«
»Worüber habt ihr gesprochen?«
»Er hat mich nach meiner Beziehung zu Ihnen gefragt.«
»Ach.« Da war er wieder, dieser Tonfall, den Sophia im Zusammenhang mit dem Duke of Hamilton schon mehrfach von ihr gehört hatte. »Und sonst?«
»Ging es um Darien. Er sagt, es sei ein Segen, dass ich meine Eltern nicht begleitet hätte.«
»Da pflichte ich ihm bei.«
»Nun, das war alles. Das Gespräch dauerte nur ungefähr eine Viertelstunde.«
»Und du findest ihn charmant?«
»Ja, Mylady.«
»Nun«, sagte die Countess, »das kann ich dir nicht verdenken.« Weiter äußerte sie sich nicht zu dem Thema.
Zwei Wochen vergingen, die Tage wurden länger, und die innere Unruhe der Menschen in Slains wuchs.
»Ich werde heute einen Ausritt wagen«, verkündete die Countess eines Morgens nach dem Frühstück. »Möchtest du mich begleiten, Sophia?«
»Gern«, antwortete Sophia überrascht.
»Ich glaube nicht, dass wir Mr. Hall belästigen müssen. Er hat zu tun«, sagte die Countess lächelnd. »Ich hätte da ein Reitgewand, das dir gut stehen könnte.«
Das Zimmer der Countess war etwa eineinhalb mal so groß wie das von Sophia und ging ebenfalls aufs Meer. Das reich verzierte Bett hatte blaue Vorhänge, und auch alle Stuhlrücken waren in demselben Blauton gehalten. Offenbar liebte die Countess diese Farbe, denn sogar ihr Reitgewand aus Samt, das auf der Kleiderpresse in einem kleinen Vorraum ausgebreitet lag, war tiefblau – wie ein schottischer See im Herbst.
»Meine Haare hatten früher die gleiche Farbe wie deine«, erklärte die Countess. »Dieses Reitgewand hat mir mein Mann einmal aus Frankreich mitgebracht, weil es, wie er meinte, meine Augen besonders gut zur Geltung bringe.«
»So etwas Wertvolles
Weitere Kostenlose Bücher