Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)
wusste nichts Gutes über den Gärtner zu sagen. »Er denkt nur an sich, dieser Billy Wick. Konnte es kaum erwarten, dass sein Vater starb, damit er sein Erbe kriegte. Viel war’s nicht, deswegen muss er weiter hier arbeiten. Aber er hält sich für was Besseres. Gehen Sie ihm aus dem Weg«, riet sie Sophia.
Rory, der gerade hereintrat, hob fragend die Augenbrauen.
»Wir reden nicht über dich«, beruhigte Mrs. Grant ihn, »sondern über Billy Wick.«
Rory nickte: »Oh, aye.« Sophia wusste nicht so genau, was das heißen sollte; überhaupt fiel es ihr schwer, seine Gedanken zu ergründen. Rory nahm sich einen Haferkeks von einem Teller und steckte ihn in den Mund. Als Mrs. Grant ihn deswegen schelten wollte, sagte er, er würde vermutlich den ganzen Nachmittag nichts mehr zwischen die Zähne bekommen. »Ich reite gleich mit der Countess nach Dunottar.«
Dunottar, der Sitz des Earl Marischal, des angeheirateten Neffen der Countess, liege an den Klippen südlich von Aberdeen, erklärte Kirsty Sophia nun. Solche gegenseitigen Besuche zwischen Slains und Dunottar waren nichts Unübliches, aber der heutige fand überraschend kurzfristig statt. Kirsty runzelte die Stirn. »Heißt das, dass es Probleme gibt?«
»Ich weiß es nicht.« Rory zuckte mit den Achseln. »Die Countess hat mir nur aufgetragen, die Pferde zu satteln und sie zu begleiten.«
»Und du, Kirsty«, sagte Mrs. Grant, »solltest dir keine Gedanken darüber machen, was die Countess tut und warum. Das geht uns nichts an.«
Kirsty nahm die Rüge schweigend hin, zog aber eine Grimasse, sobald Mrs. Grant ihr den Rücken zukehrte.
Ohne sich umzudrehen, sagte die Köchin: »Noch einmal, und ich streiche dir den freien Tag, den ich dir morgen eigentlich geben wollte.«
Kirsty sah sie erstaunt an. »Ein freier Tag?«
»Aye, allerdings kein ganzer. Zum Abendessen brauche ich dich wieder, aber wenn die Countess in Dunottar ist, habe ich nicht so viel zu tun und kann dich tagsüber entbehren.«
Die Aussicht, den Tag verbringen zu können, wie sie wollte, machte Kirsty sprachlos, denn so etwas hatte sie noch nie erlebt.
Doch sie wusste schon bald, was sie mit diesem unverhofften Geschenk anfangen würde. »Ich besuche meine Schwester.«
»Das ist aber ein langer Fußmarsch«, gab Rory zu bedenken.
»Etwa eine Stunde oder so die Küste entlang. Ich hab sie seit der Geburt ihres letzten Kindes nicht mehr gesehen.« Unvermittelt fragte sie Sophia: »Kommst du mit? Sie kocht uns bestimmt was. Nicht mal Mrs. Grants feine Brühe ist so gut wie der kail und die Kekse meiner Schwester. Sie würde sich freuen, dich kennenzulernen.«
Mrs. Grant wandte ein, dass es möglicherweise nicht schicklich wäre, wenn zwei junge Frauen allein gingen.
»Och, wir haben doch die ganze Zeit über Slains im Blick«, erwiderte Kirsty. »Und die Countess genießt in der Gegend so große Wertschätzung, dass die Leute uns sicher helfen, wenn wir sagen, dass wir von hier kommen.«
»Der Countess«, erklärte Mrs. Grant mit einem Blick auf Sophia, »würde das nicht gefallen.«
»Werden Sie es ihr denn verraten?«, fragte Kirsty sofort.
»Nein«, antwortete Mrs. Grant nach kurzem Überlegen und wandte sich wieder dem Herd zu. »Aber vergiss nicht, dass der Teufel auch hier die Männer reitet, wenn ihm der Sinn danach steht.«
»Och, das ist es also, Rory«, sagte Kirsty in Richtung des jungen Mannes. Er verzog keine Miene, aber seine Augen leuchteten auf.
»Aye«, bestätigte er, »aber bei mir ist sowieso Hopfen und Malz verloren. Nehmt den Hund mit«, riet er Kirsty und steckte einen weiteren Haferkeks in die Tasche. »Teufel hin oder her: Wenn ihr Hugo dabeihabt, traut sich niemand, euch was anzutun.«
Als sie sich am nächsten Morgen nach dem Frühstück auf den Weg machten, hielt Sophia die Leine von Hugo fest in der Hand. Der riesige Mastiff, der in den Ställen schlief und tagsüber Rory nicht von der Seite wich, war ein sanftes Tier, auch wenn er Fremde anbellte und jedes Geräusch als Bedrohung auffasste. Bei dem kleinen Garten, in dem Billy Wick gerade die steinige Erde in einem Kräuterbeet umgrub, begann Hugo zu knurren.
Ohne ihm Beachtung zu schenken, richtete der Gärtner sich auf, stützte sich auf seine Hacke und sah zu ihnen hinüber. »Na, wollt ihr mich besuchen?«, rief er ihnen mit einem lüsternen Blick zu. Sophia bekam eine Gänsehaut.
»Wir sollen etwas für die Countess erledigen«, log Kirsty und zog Sophia weg. Schon bald ließen sie die
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