Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)
sie Kirsty den freien Tag nicht verderben wollte. »Ich habe einmal einen Geistlichen predigen hören, dass der Herr großes Unglück nur über uns bringt, um irgendwann etwas Gutes daraus zu machen. Das stimmt, denn jetzt bin ich hier. Wären meine Eltern noch am Leben, hätte ich mich nicht auf den Weg nach Slains gemacht und wir wären uns nie begegnet.«
»Aye, ein Jammer«, stimmte Kirsty zu und ergriff Sophias Hand.
Auf dem Rückweg gingen sie am »Pot« vorbei, ohne einen Blick hinunterzuwerfen, doch als sie Dun Buy erreichten, versuchte Hugo erneut, den Seevögeln hinterherzujagen. Kirsty blieb stehen und deutete aufs Meer. »Siehst du das Schiff da direkt vor Slains?«
Sophia nickte. »Die Royal William ?«
Kirsty beschattete die Augen mit der Hand und schüttelte den Kopf. »Nein. Das ist kein schottisches Schiff. Komm, wir müssen zurück.«
Sophia hatte Mühe, mit Kirsty und Hugo Schritt zu halten.
Als sie im Laufen sahen, dass von dem Schiff ein Boot mit mehreren Männern zu Wasser gelassen wurde, rannten sie noch schneller.
Beim Garten riss Hugo sich los und stürzte mit einem kurzen Begrüßungsbellen in den Stall, wo Rory die schweißbedeckten Flanken seines Pferdes mit Stroh trockenrieb.
»Wir haben die Segel von Dunottar aus gesehen«, sagte Rory zu den beiden Mädchen. »Die Countess ist schon im Haus.«
»Und das Schiff …?«, fragte Kirsty atemlos.
»Aye. Rennt schnell rein, bevor man euch sucht.« Dann wandte er sich wieder seiner Arbeit zu, und Kirsty zerrte Sophia weg, die nicht wusste, warum dieses Schiff so wichtig war und ob die Männer, die gerade auf Slains zuruderten, gute oder schlechte Kunde brachten.
Acht
Ich wachte im Morgengrauen im Sessel auf, ein betäubendes Gefühl der Kälte in den Gliedern. Verwirrt stellte ich fest, dass die Lampe sowie der elektrische Ofen nicht mehr brannten. Ein rascher Blick in Richtung Tür bestätigte, dass der Zeiger des Zählers in den roten Bereich gerutscht war.
Und noch schlimmer: Auch das Feuer im Küchenherd war ausgegangen.
Fluchend kniete ich nieder, um die erkaltete Asche zu entfernen, und hoffte, dass sich noch genug Kohle für ein neues Feuer fände.
Damit war ich beschäftigt, als Graham eintraf, um mich zu unserem Spaziergang abzuholen. Ich öffnete die Tür mit verschmiertem Gesicht und zerknitterter Kleidung. Er verkniff sich einen Kommentar, aber seine Augen funkelten belustigt, als ich ihm mein Problem erklärte.
»Den Herd kriege ich auch nicht wieder an«, schloss ich frustriert. »Weil er mit dem Boiler verbunden ist, habe ich kein warmes Wasser zum Waschen, und …«
»Sie sehen völlig passabel aus«, fiel Graham mir ins Wort. »Ziehen Sie doch erst mal was Warmes über die Bluse, während ich mich um Strom und Feuer kümmere, ja?«
»Ja.« Ich sah ihn dankbar an.
Letztlich tat ich dann mehr, als nur einen Pullover anzuziehen: Ich wusch mir das Gesicht mit eiskaltem Wasser und bändigte meine zerzausten Haare mit einem nassen Kamm. Am Ende erkannte ich mich immerhin wieder im Spiegel.
Als ich mich zu Graham gesellte, war dieser gerade dabei, Wasser auf dem kleinen Elektroherd zu erhitzen. Es wurde bereits wärmer, weil er das Feuer im Aga entzündet hatte, und auch die Lampe neben dem Sessel brannte wieder. Ich schaltete sie aus und zog den Stecker des elektrischen Ofens aus der Wand, bevor ich mich bedankte.
»Kein Problem. Vermutlich haben Sie noch nicht gefrühstückt, oder? Sie müssen was essen, bevor wir aufbrechen, weil wir ein ziemliches Stück Weg vor uns haben. Trinken Sie Tee oder Kaffee?«
Zielsicher griff er in den Schrank, und ich wurde rot bei dem Gedanken, dass Graham bereits in meinem Bett geschlafen hatte. Um das zu kaschieren, erkundigte ich mich: »Wie haben Sie den Strom wieder zum Laufen gebracht?« Dass er mit den Taschen voller Fünfzig-Pence-Münzen hergekommen war, hielt ich für unwahrscheinlich.
»Den Trick hat mir Stuie gezeigt«, antwortete er. »Ich darf ihn nicht verraten, am allerwenigsten einem Mieter von Dad.« Als das Wasser im Kessel zu kochen begann, fragte er noch einmal: »Tee oder Kaffee?«
»Kaffee, bitte.«
Dann briet er mir Eier, machte mir einen Toast und stellte mir alles mit einem Stück Käse hin. »Damit der Wind Sie nicht vom Klippenweg bläst«, sagte er.
Ich sah zum Fenster hinaus. »Es ist gar nicht windig.«
»Essen Sie trotzdem.« Nachdem er sich selbst eine Tasse Kaffee eingeschenkt hatte, schüttete er das überschüssige heiße Wasser aus
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