Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)
schwere Schritte und Stimmen, und schon kündigte Kirsty die Gäste an: »Mylady, Colonel Hooke und Mr. Moray.«
Sophia sollte sich der kurze Moment, der nun folgte, unauslöschlich einprägen.
Zwei Männer betraten den Salon, aber sie nahm den ersten, der, den Hut in der Hand, auf die Countess zuging, kaum wahr und hatte nur Augen für den zweiten.
Er war gut aussehend, nicht übermäßig groß, besaß aber die breiten Schultern und muskulösen Beine eines Menschen, der sich seinen Lebensunterhalt durch körperliche Arbeit verdient. Der Mann hatte eine Perücke auf dem Kopf, allerdings keine schulterlange wie die meisten Gentlemen, sondern eine oben und an den Schläfen kurz geschnittene, deren Haupthaar hinten mit einem Band gefasst war. Dazu trug er eine seitlich geschlitzte Lederweste mit einer langen Reihe runder Knöpfe vorne sowie einem unter den Schultern befestigten Umhang hinten, der sein an einem breiten Schultergurt hängendes Schwert halb verdeckte. Hemd, Halstuch, Kniehose und Stiefel wirkten einfach und zweckmäßig.
Seine grauen Augen musterten Sophia freundlich interessiert, und sie konnte den Blick nicht von ihm wenden.
Sogar das Atmen fiel ihr in seiner Gegenwart schwer, so dass sie fast erleichtert war, als die Countess sie dem anderen Mann vorstellte, der nun ganz in ihrer Nähe stand. »Colonel Hooke, Sophia Paterson, die Nichte meines verstorbenen Cousins, die hier bei mir in Slains lebt und ein wenig Freude in meinen grauen Alltag bringt.«
Colonel Hooke war größer als sein Begleiter und seine Kleidung mit den weiten Ärmeln und den teuren Spitzenbesätzen eleganter geschnitten. Er trug eine modische Perücke und hatte die Manieren eines Gentleman. »Ihr ergebenster Diener«, sagte er mit angenehm irischem Akzent und beugte sich über Sophias Hand. An die Countess gewandt, fügte er hinzu: »Darf ich Ihnen meinerseits meinen Begleiter vorstellen, Mr. Moray, den Bruder des Laird of Abercairney?«
»Wir kennen uns bereits«, erwiderte die Countess und sagte lächelnd zu Mr. Moray: »Aus Edinburgh. Sie waren mit Ihrem Onkel unterwegs und so freundlich, mir einige Briefe für meinen Mann zu überbringen. Soweit ich mich erinnere, ist das knapp vier Jahre her.«
Er nickte und durchquerte den Raum. Sophia wartete mit gesenktem Blick, bis er mit tiefer schottischer Stimme sagte: »Mistress Paterson, Ihr ergebenster Diener.« Dann ergriff er ihre Hand, und diese kurze Berührung wirkte wie ein Stromstoß auf sie. Sie murmelte eine Begrüßungsfloskel.
»Stimmt es, dass Ihr Sohn im Moment nicht hier bei Ihnen in Slains weilt?«, fragte Colonel Hooke die Countess.
»Ja. Aber ich erwarte ihn bald zurück und habe mehrere Briefe von ihm an Sie. Sie wissen, dass die Union vom Parlament ratifiziert wurde, oder?«
»Das hatte ich schon befürchtet.«
»Unser Volk ist mit dieser Lösung sehr unzufrieden, und die Peers und Lords haben sich wie die anderen Parlamentsmitglieder auf ihre Landsitze zurückgezogen. Nur mein Sohn, der Earl Marischal und der Duke of Hamilton halten sich noch in Edinburgh auf. Die beiden Letzteren sind offenbar krank und nicht reisefähig.«
»Es betrübt mich, das zu hören«, erklärte Hooke mit gerunzelter Stirn. »Ich habe den Duke of Hamilton, bevor wir in See gestochen sind, schriftlich gebeten, mir jemanden zu schicken, der mir hier behilflich sein könnte …«
Die Countess nickte. »Mr. Hall, ein Geistlicher, hat Mistress Paterson von Edinburgh begleitet und einen ganzen Monat auf Sie gewartet, aber länger konnte er nicht bleiben.«
Hooke wirkte enttäuscht. »Wir wurden in Dünkirchen durch ungünstige Winde aufgehalten.«
Dünkirchen, dachte Sophia. Dann kamen sie also aus Frankreich. Und der Blässe von Hookes Gesicht nach zu urteilen, war die Fahrt nicht gerade ruhig gewesen.
Die Countess versicherte ihm, dass die Verspätung nicht von Bedeutung sei. »Aber Sie sind bestimmt beide sehr müde von der Reise. Colonel, lesen Sie doch erst einmal Ihre Briefe und machen Sie sich frisch. Hinterher ist immer noch Zeit für eine ausführliche Unterhaltung.«
»Herzlichen Dank. Auf Schiffen fühle ich mich nie sonderlich wohl. Mir wäre jedes noch so wilde Pferd lieber als das ruhigste Meer.«
Sophia warf einen verstohlenen Blick in Richtung des schweigsamen Mr. Moray, den die Seereise nicht im Mindesten mitgenommen zu haben schien. Plötzlich fiel ihr ein Ausspruch ihres Vaters ein: »Männer, die stumm beobachten, sind oft bedeutend klüger als die,
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