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Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)

Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)

Titel: Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
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John – John Drummond – lebte und von Feldern mit hohen, im Wind wogenden Grashalmen träumte, von frischer Morgenluft und einer Mutter, die nur noch in ihrer Erinnerung lebte.

Neun
     
    In Castle Wood herrschte zu dieser frühen Morgenstunde Stille. Die Saatkrähen, die sonst um die Baumwipfel kreisten, beäugten mich nun stumm von den kahlen Ästen.
    Die Gartenzwerge vor Dr. Weirs Haus begrüßten mich mit freundlichem Gesicht, und auch der Arzt schien sich über meinen Besuch zu freuen.
    »Wie geht’s voran mit dem Buch?«, erkundigte er sich und winkte mich in den gemütlichen Flur, wo er meine Jacke an die Garderobe hängte.
    »Gut, danke.«
    »Kommen Sie doch mit ins Arbeitszimmer. Elsie ist mit einer Freundin zum Einkaufen in Peterhead. Sie findet es bestimmt schade, dass sie Sie verpasst.«
    Offensichtlich hatte er sich auf einen gemütlichen Tag allein eingerichtet – neben seinem Ledersessel im Arbeitszimmer warteten ein Stapel Bücher und ein Kristallglas mit einem ordentlichen Schuss Whisky. »Mein Morgentrunk«, erklärte Dr. Weir. »Eine schöne alte Sitte. Der Whisky ist mir lieber als durchgeweichte Corn Flakes.«
    »Ich dachte, der traditionelle Morgentrunk sei Ale mit Toast.«
    »Den Toast hab ich schon gegessen. In Schottland läuft seit jeher alles ein bisschen anders«, fügte er hinzu. »Ale und Toast, ja, aber ein richtiger Mann genehmigt sich hinterher einen Schluck schottischen Whisky.«
    »Aha.«
    »Möchten Sie einen Tee?«
    »Ich würde auch einen Morgentrunk nehmen, wenn Ihnen das recht ist.«
    »Kein Problem.« Ich ließ mich wie an jenem Abend ein paar Tage zuvor auf dem chintzbezogenen Sessel beim Fenster nieder.
    »Nun«, erkundigte er sich, »was führt Sie zu mir?«
    »Tja, eine Frage.«
    »Über Slains?«
    »Nein, eher etwas Medizinisches.«
    »Oh, aye?«
    »Hm …«, begann ich, doch die Sache war schwieriger, als ich gedacht hatte. Ich nahm einen Schluck von dem Whisky. »Es geht um das menschliche Gedächtnis.«
    »Und wofür genau interessieren Sie sich?«
    Ich schilderte ihm, wie ungewöhnlich der Schreibprozess meines neuen Buchs verlief, wie ich manchmal sogar das Gefühl hatte, dass ich kaum noch mit der Handlung Schritt halten konnte, die sich mir präsentierte, und dass ich die Geschichte aus der Perspektive meiner Vorfahrin Sophia Paterson erzählte. »Sie stammte nicht von hier«, sagte ich, »sondern aus der Nähe von Kirkcudbright im Westen. Ich habe sie letztlich nur in das Geschehen eingeführt, weil ich jemanden brauchte, der eine Verbindung zwischen den historischen Figuren herstellen konnte.«
    Dr. Weir nickte.
    »Teile dessen, was ich schreibe, scheinen eher Fakt als Fiktion zu sein.« Als Beispiele nannte ich ihm den richtig geratenen Vornamen von Captain Gordon, den Namen seines Schiffs und den von Captain Hamilton sowie die Übereinstimmung meines Grundrisses von Slains mit dem seinigen. Außerdem berichtete ich ihm von meinem Klippenspaziergang am Vortag und von meinem Gefühl, schon einmal dort gewesen zu sein.
    »Es gibt bestimmt eine einfache Erklärung für das alles. Vermutlich habe ich die Einzelheiten im Verlauf meiner Recherchen irgendwo gelesen oder Fotos gesehen, und jetzt erinnere ich mich daran. Aber … Aber manches kann ich nirgendwo gelesen haben.« Ich erzählte ihm die Sache mit Sophias Geburtsjahr, dem Tod ihres Vaters und seinem Testament, in dem er ihren Onkel bedachte. »Mein Vater hat die Daten und Dokumente nur deshalb gefunden, weil er von mir wusste, wo er nachsehen musste. Es ist, als ob …« Ich suchte nach Worten. »Mein Vater sagt immer, ich liebe das Meer so sehr, weil es mir im Blut liegt, weil meine Vorfahren Schiffsbauer aus Belfast waren. Tja, und nun wollte ich Sie fragen, ob es so etwas wie ein genetisches Gedächtnis gibt.«
    Er musterte mich nachdenklich durch seine Brille. »Sie meinen, ob Sie Sophias Erinnerungen haben könnten?«
    »Ja. Wäre das möglich?«
    »Interessante Theorie. Das Gedächtnis ist nach wie vor nahezu unerforscht. Wir wissen ja nicht einmal, wie es sich herausbildet oder wann unsere Erinnerungen beginnen – bei der Geburt oder schon im Mutterleib oder ob wir sie gar, wie Sie vermuten, in den Genen tragen. Jungs Anhänger würden es wohl für denkbar halten, dass manches Wissen nicht auf eigenen Erfahrungen gründet, sondern auf Erkenntnissen unserer Vorfahren. Es handelt sich dabei um einen tief sitzenden Instinkt oder das, was Jung ›kollektiv Unbewusstes‹ nennt.«
    »Den

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