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Das Schützenhaus

Das Schützenhaus

Titel: Das Schützenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
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die nebeneinander saßen.
    »Wir dürfen nicht vergessen«, sagte Werner, »daß heute zwei gute Feen dem Kind besondere Gaben in die Wiege gelegt haben, gute Gaben, wie könnte es anders sein. Lauras bekannte Tierliebe, bewiesen durch die Aufzucht des Schafes Klöterlämmchen, sowie Kittys unnachahmliche Eleganz, wenn sie die Rauchringe ihrer Manoli in die Luft stößt – sollten das nicht Eigenschaften sein, die uns für ein Mädchen als Ergänzung höchst willkommen sind?«
    Ein Beifall brach aus, den ich mit frenetisch bezeichnen würde, wenn ich mir über die Bedeutung dieses Wortes im klaren wäre. Werner erhob sein Glas, das wundersamerweise wieder gefüllt war, als habe das Aushilfspersonal, vielleicht an Hand von Werners Nase, seine Bedürfnisse erkannt. Werner erhob sein Glas, alle erhoben ihre Gläser: »Auf unseren Täufling. Auf die Eltern. Auf die Großeltern. Auf Onkel und Tanten. Auf die Paten. Auf den Herrn Pastor. Auf die Freunde. Auf alle Anwesenden.«
    Das Personal rannte und füllte Gläser. Werner schritt auf Anneli zu und küßte sie, was aussah, als ob ein roter Ballon auf ihrem Gesicht landete. Es war aber wiederum die Nase, Werners leuchtendrote W.-C.-Fields-Nase.
    Schräg fielen Sonnenstrahlen ins Zimmer, gedämpft durch das Laub der alten Bäume. Opa angelte Horst unter dem Tisch hervor und setzte das Kind auf seine Knie. »Er stinkt wie ’n Faß«, verkündete Opa. Er bat Werner, die Quetschkommode zu holen. »Einmal«, rief Opa, »lassen wir die Marine hochleben. Das letzte Mal, bevor ich meine Sammlung vernichte. Werner, spiel!«
    Werner sah ihn fragend an. »Wat schon«, grummelte Opa. »›Hein muß hinaus auf die Meere.‹«
    Werner fing an, suchte die Melodie. Opa gab Horst an Tante Frieda ab und stand auf. Dann sang er mit mächtiger Stimme: »Heute an Bord, morgen geht’s fort, Hein muß hinaus auf die Me-he-re …«
    Später, es dämmerte bereits, ging ich mit Robinson Krause zum Weiher im Wald. Wir hatten eine Reuse mit Flußkrebsenversenkt. Die Krebse sollte es zum Abendessen geben. Krause schuffeite neben mir her auf seinen Plattfüßen. »Es wird nicht so bleiben«, seufzte unser Oberkellner. »Die da werden alles kaputtmachen.«
    Er blieb stehen, sah mich an mit seinem ehrerbietigen Blick. »Entschuldigen Sie man«, sagte er.
    Wochen und Monate reihten sich aneinander, schon kroch auch Helga über die Dielen unter dem Tisch. Schützenhaus-Kinder rochen in einem Abschnitt ihres Lebens nach Faß. Anneli hatte ihre Arbeit beim Reiterverein wiederaufgenommen.
    Wiederum, in meiner Erinnerung, ein Bild: Tribünen, bunte Fahnen wehen, die meisten mit dem Hakenkreuz. Auf den Tribünen sommerlich gekleidete Menschen, Frauen in weißen Kleidern, Hüte, die an die Südwester der Schutztruppen unserer Kolonien erinnerten. Viele Uniformen, aber auch elegantes Zivil. Rote und schwarze Röcke der Reiter, Rufe: »Der Kronprinz kommt.« Ein Auto, das vor die Ehrentribüne rollte. Militärs, Hände zum Gruß am Mützenschirm. Ein schlanker Herr eilte die Stufen hoch. Das Auto verschwand in einer Qualmwolke, Pferde scheuten, wurden von ihren Reitern gezügelt. Eine Ansprache: Das Reit- und Fahrturnier ist eröffnet. Den Tribünen gegenüber hat eine Militärkapelle Aufstellung genommen. Schneidig spielen sie Kavalleriemärsche, mir unbekannt. Aber ich sehe, wie mein Vater mitsummt, sein rechtes Bein zuckt im Takt.
    Springturnier. Anneli auf ihrem neuen Pferd, einem Fuchs, geht in die Bahn. Wo ist Joachim? Redet er wieder vom Film? Joachim sitzt zwei Reihen vor mir, daneben die Norne. Zwischen sich halten sie Horst, Joachim mit einem Arm, Isabella mit einem Arm. Die Bank hat keine Lehne, Horst droht herunterzufallen.
    Anneli reitet. Sie kommt fast glatt über den Parcours, das Pferd reißt, ganz zum Schluß, ein Hindernis.
    Anneli belegt einen ehrenvollen dritten Platz. Ein Mann in Parteiuniform überreicht ihr einen Pokal. Der Kronprinz, jetzt am Sattelplatz, reicht ihr die Hand.
    In der Pause löffeln wir Erbsensuppe mit Speck aus Gulaschkanonen. Die Köche tragen Drillich und auf den Köpfen das neu eingeführte Schiffchen mit Kokarde. Ede Kaiser murmelt: »Fast wie in Döberitz.« Ein bißchen Erbsensuppe hat er auf seiner Jacke.
    Dann das Fahrturnier. Elegante Karossen, blitzende Geschirre, die blanken Felle der Pferde. Die Kapelle schmettert ihre Märsche in den blauen Sommerhimmel. Horst sagt, daß er eine Limo will, es ist heiß. Die Norne bedeutet ihm, ruhig zu sein, denn gerade

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