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Das Schützenhaus

Das Schützenhaus

Titel: Das Schützenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
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fährt ein Viererzug in die Arena. Der Viererzug wird gelenkt von Anneli.
    Mit vollkommener Ruhe, als täte sie das jeden Tag, absolviert Anneli mit ihrem Gespann die vorgeschriebenen Figuren. Schaumflocken fliegen von den Mäulern der vier Rappen, die den Wagen ziehen. Anneli sitzt hoch oben auf dem Bock, die Zügel in den Händen. Sie trägt weiße Hosen und eine rote Jacke, die in der Taille anliegt. Auf ihren Stiefeln und dem schwarzen Zylinder wirft die Sonne Reflexe. Die Rappen schnauben. Auf der Tribüne sind die Gespräche verstummt.
    Der Viererzug hält. Grooms in schokoladefarbenen Livreen eilen herbei, halten die Pferde. Anneli wirft ihnen die Zügel zu und springt vom Kutschbock. Ich bin, darf ich es sagen?, stolz auf sie. Und eifersüchtig auf den Schiedsrichter mit der weißen Armbinde, der Anneli auffängt.
    Eine Stunde später ist Siegerehrung. Staub liegt über dem Platz. Ein Bierfuhrwerk mit vier mächtigen Rössern nähert sich auf der Straße. Die Grooms bauen Podeste auf.
    Dann verkündet der Lautsprecher: »Erster Preis im Vierer-zug-Fahren – Anneli Pommrehnke.«
    Der Pokal war größer als jener für den dritten Platz im Kunstspringen.
    Wir schlossen Anneli in die Arme. Wiederum roch sie nach Pferd. Ich küßte sie. Mein Vater murmelte mehrmals hintereinander: »Donnerlittchen.«
    Einen Monat später standen die Ställe auf dem Gutshof leer. Die Wehrmacht war in Polen einmarschiert. Alle Pferde waren nach Krampnitz verfrachtet worden, zur Verfügung des Heeres. Auf dem Regal in der Gaststube verstaubten Annelis Pokale, neben dem Arsch mit Ohren. Noch einmal saßen wir in der Gaststube beieinander. Ede Kaiser war herübergekommen, seine Taxen waren stillgelegt. Ede und mein Vater trugen Uniform. Ab sofort sollten sie auf dem verlassenen Gutshof Dienst tun. Ein Pferdelazarett wurde eingerichtet. Auch Joachim trug Uniform, ohne Dienstgradabzeichen. Schütze Pommrehnke. Er hatte seine Einberufung am ersten Kriegstag bekommen. Jetzt sollte er mit einem Lichtspielzug in Marsch gesetzt werden. Rollendes Frontkino. »Ich komme nicht aus der Übung«, scherzte er. Die Norne hielt seine Hand, blickte ihn mit verheulten Augen an. »Schon gut«, tröstete Joachim sie. »Das ist kein Himmelfahrtskommando.«
    »Aber es ist der Anfang vom Ende«, sagte unser Vater. »Es hat sich schon mancher totgesiegt.«
    »Walter, rede nicht so«, mahnte Tante Deli.
    »Wieso? Der Parteihengst ist über alle Berge.«
    Sachwalter Timm hatte sich verabschiedet. Er werde Aufgaben in den eroberten Gebieten übernehmen, sagte er. Ein Nachfolger sei nicht vorgesehen.
    Eine gute Nachricht. Wir waren nicht traurig, daß er uns verließ.
    Und ich? Im Erfassungssystem des Wehrkreiskommandos zeigten sich Lücken. Ich besaß keinen Wehrpaß, obwohl ich mich wie vorgeschrieben gemeldet hatte. Desgleichen Werner. Wir waren durch die Maschen geschlüpft. Wir würden die Schützenhaus-Lichtspiele weiterbetreiben, so lange es ging. Das versprachen wir Joachim. Seine Kameraden holten ihn ab. Sie fuhren in einem feldgrau angestrichenen Lieferwagen vor. In diesem Lieferwagen befanden sich die transportablen Projektoren, die Leinwand. Und Filmspulen. Sie zeigten uns die Programmliste, nach den Richtlinien des Oberkommandos des Heeres. Weltanschauliches muteten sie den Soldaten nicht zu.Statt dessen: »Verwehte Spuren« mit Kristina Süderbaum, die später als »Reichswasserleiche« berühmt wurde, Regie Veit Harlan. Bald wird er »Jud Süß« verfilmen.
    Joachim setzte seine Dienstbrille mit Metallrand auf. Die Brille veränderte ihn, er sah älter damit aus und zugleich harmlos. Ein bißchen wie aus einem Klamaukfilm. Wir stellten uns auf die Veranda, als er mit seinen Kameraden davonfuhr, die Chaussee entlang in Richtung Berlin.
    Von nun an kamen die Feldpostbriefe. Wir hatten einen Code vereinbart. »Ruft Gerda an, wie es ihr geht«, stand etwa in Joachims Brief. »Die Nummer ist…, Nebenstelle soundso.« Zusammen acht Zahlen. Die Zahlen gaben die geografische Länge und Breite jenes Ortes an, an dem sich Joachim gerade befand. Wir mußten nur auf der Landkarte nachsehen. So zog Joachim seine Spur, durch Polen, durch Frankreich. Manchmal kam er auf Urlaub, zog den Uniformrock aus und verschwand in der Vorführkabine. Die Norne wartete auf ihn im grünen Waggon.
    Ungefähr um die Zeit, als der Brief aus Smolensk kam, etwa drei Monate nach einem Heimaturlaub, erklärte Isabella, sie sei schwanger. Joachim und sie wurden ferngetraut. Wir

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