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Das Schützenhaus

Das Schützenhaus

Titel: Das Schützenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
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Opa hatten sich ebenfalls zum Schützenfest angemeldet. Eine Reise würde ihnen guttun, sagten sie. Großmutter hatte einen Ballen Samtstoff mitgeschickt, lila mit roten Blümchen.Sie ließ Lauras Mutter ausrichten, daß der Stoff für eine Kaffeetante gedacht sei. »Eure Oma meint, ihr braucht eine Kaffeetante«, berichtete Lauras Mutter. »Eure Oma sagt, auf jedem anständigen Schützenfest gebe es eine Kaffeetante und einen Ziegenwagen für die Kinder und einen Onkel Pelle.«
    »Eskadron – Schritt!« befahl mein Vater. »Nu macht mal halblang. Wo sollen wir das herbekommen? Es geht bestimmt ohne Kaffeepelle und Onkel… ich meine …«
    »Nee, es geht nicht ohne die!« Sofort verbündeten sich die Frauen. Tante Deli und Lauras Mutter nahmen meinen Vater in die Zange. »Wo der Stoff da ist!« Und: »Als wir Kinder waren, trat immer ein Onkel Pelle auf. Und einen Ziegenwagen gab’s. Und eine Stange, da konnte man raufklettern, und oben hingen Würste.« Lydia stand in der Tür. »Jawohl, Würste«, sagte sie und errötete. »Auch du«, brummte mein Vater.
    Sternchen, der alles mit angehört hatte, meinte, er könne die Kaffeetante basteln. »Innen ist eine lange Stange mit Querholz«, sagte er. »Nebbich, kein Problem. Den Kopf machen wir aus einem Seidenstrumpf, mit Sägemehl gefüllt. Augen, Mund und Nase werden aufgemalt. Werden Se seh’n, das wirkt. Haare von schwarze Stoffetzen, können die Damen aufnähen. Im Gewand werden sein Löcher, ich bin innen und trage die Tante, sie ist vier Meter hoch, sagen wir, durch die Löcher werd’ ich schauen. Ach ja, alte Handschuhe, ebenfalls ausgestopft. Die größten, was sind zu finden. De Arme werden baumeln, ja?«
    Die Frauen stimmten zu, Joachim gab seine Pferdebox her, dort entstand binnen zwei Tagen die Kaffeetante. Sternchen hatte ihr ein freundliches Gesicht gemalt. Probeweise trug er sie über den Hof. Sie wankte ein bißchen.
    »Und Onkel Pelle?«
    Zufällig war der frühere Feuerwehrmann Puvogel anwesend. »Übernehme ich«, sagte er. »Hat jemand ’ne Melone?«
    Hubert hatte. Eine Melone gehörte zu Onkel Pelle. Man befestigte eine Papierblume an dem Hut, ähnlich, wie sie später Marcel Marceau an seinem Zylinder trug. Schwalbenschwanz, Hemd mit steifem Kragen und Fliege besaß Puvogel selbst.
    Blieb das Problem des Ziegenwagens. Ein anderer Stammgast half, Herr Eichelkraut, früher Rollkutscher. Eichelkraut hatte sich auf die Entleerung von Sickergruben verlegt. Immer mehr Villen wurden am Stadtrand gebaut, fern der städtischen Kanalisation. Tante Deli behauptete, Eichelkraut röche nach seinem Metier. Aber das war Verleumdung, und man nahm seine Hilfe an. Am nächsten Tag führte er einen Ziegenbock mit einem Wägelchen vor. Der Ziegenbock war zahm und hieß, behauptete Eichelkraut, Friedrich Wilhelm.
    Eichelkraut roch möglicherweise nicht schlechter als alle Männer damals, sie trugen ihre Anzüge jahrelang, und Begriffe wie chemische Reinigung waren ihnen fremd. Ich war lange der Meinung, daß die chemische Reinigung erst nach dem Zweiten Weltkrieg erfunden wurde.
    Aber Friedrich Wilhelm stank. Er stank nach Bock. Wir nahmen das in Kauf. Der Probelauf der Kaffeetante, des Ziegenfuhrwerks und Onkel Pelles fand statt. Laura führte den Ziegenbock, meinte, er sei fast so lieb wie Klöterlämmchen. Puvogel als Onkel Pelle schoß den Vogel ab. Er kam auf einem Hochrad.
    Tante Deli insistierte, daß die Wurst-Kletterstange errichtet werden müsse, und so waren Joachim und ich in diese Angelegenheit verwickelt. Wir sägten im Park einen passenden Baum um, entrindeten ihn und errichteten die Kletterstange, mit einem alten Wagenrad oben, an das die Würste gebunden werden sollten. »Am Schluß«, sagte mein Vater, »schmiert ihr die Stange mit Seife ein. So war’s in meiner Jugend.«
    Jetzt fing der auch mit seiner Jugend an. Wir fanden es besser, wenn er sich in sein Bett verzog, als Oppusoff oder Oblomow. Seit Lauras Mutter am Tresen bediente, ging Vater wieder dieser Gewohnheit nach, falls ihn nicht Vorbereitungsarbeiten für das Schützenfest unten in der Gaststube festhielten. Ziemlich oft sahen wir ihn jetzt, wenn wir in unsere Zimmer gingen, im Bett sitzen wie einst, Kissen im Rücken, die Zigarre im Mund, eine Zeitung vor der Nase. Manchmal mußten wir ihn aus dem Kahn holen, wenn unten Schönicke sich an den Stammtisch fläzte und rief: »Wo ist Pommrehnke?«
    Manchmal ging Joachim zu ihm hinauf, stets in der Hoffnung, unser Vater würde den

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