Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schützenhaus

Das Schützenhaus

Titel: Das Schützenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
Vom Netzwerk:
als sei es ein kostbarer Pokal, von ihm, dem Schützenkönig, errungen.
    Schönicke trug ein grünes Hütchen wie ein Landjunker, das er nie abnahm. Später, als die Schützen in ihren Uniformen bei uns aus und ein gingen, sah ich, daß dieses Hütchen mit der an einer Seite aufgestellten Krempe zur Schützentracht gehörte. Schönicke trug das Hütchen zu jeder Zeit.
    Wiederum wurden wir in die Disteln geschickt, die Schießstände wurden instand gesetzt. Sternchen und gelegentlich Werner, falls er nicht seinen anderen, uns unbekannten Beschäftigungen nachging, reparierten Stände und Anzeigegräben. Mit Pinseln und weißer Farbe tarnten wir die Schäden.
    An den folgenden Wochenenden tönten die Schüsse von den Schießständen herüber. Die Mitglieder der Schützengilde übten. Sie kamen auf Fahrrädern, zu Fuß, mit Autos, einer sogar im Kutschwagen. Ihre Gewehre führten sie in Segeltuchhüllen mit sich oder in Lederfutteralen. Joachim und ich und ein paar Jungen aus der Laubenkolonie machten ein bißchen Extrageld als Anzeiger. Mit der Laubenkolonie herrschte Waffenruhe, seit Wilfried sich für uns am sogenannten Liebermann-Abend geschlagen hatte.
    Schönicke, mit seinem Hütchen und einem Zahnbürstenbart unter der Nase, stolzierte bei den Schießständen auf und ab. »Es wird«, sagte er. »Die Männer, im Felde unbesiegt, haben nichts verlernt.«
    Ab und an griff er selbst zum Gewehr und sägte mit einer Reihe von Schüssen das Schwarze aus der Scheibe. Das sollte heißen: Seht her, mit Recht bin ich Schützenkönig. Im Krieg war er Scharfschütze gewesen. Wenn er viel getrunken hatte, renommierte er damit, wie viele Franzmänner er »abgeknipst« hatte.
    Er trank Weiße mit Waldmeister, zwischendurch Kümmelschnäpse. Mir grauste vor dem Schützenkönig.
    Laura traf aus Lindow ein, mit ihrer hübschen Bubikopf-Mutter. Ede Kaiser hatte die beiden vom Bahnhof abgeholt. Laura führte ein Sortiment Puppen mit sich und, in einem Köfferchen, Kleider und Strampelhosen. Sie zog bei Anneli ein. »Ich wollte Klöterlämmchen mitbringen«, schmollte sie, »sie ließen mich aber nicht. Dabei hätten wir leicht im Abteil für Reiser mit Traglasten oder Schafen fahren können.«
    »Reisende heißt das«, belehrte Anneli sie. »Und es heißt mit Traglasten oder Hunden. Ein Schaf ist kein Hund.«
    »Das hat die Lindow-Oma auch gesagt«, meinte Laura. »Aber Klöterlämmchen ist nicht größer als ein Hund. Klöterlämmchen hätte mitreisen sollen.«
    »Und wenn dann ein richtiger Hund einsteigt? Eine scharfe Töle? Die Töle stürzt sich auf Klöterlämmchen. Was dann?«
    Laura packte ihren Puppenkoffer aus. »Vielleicht hast durecht«, räumte sie ein. »Vielleicht habt ihr alle recht. Aber schade ist es. Wir hätten gut mit Klöterlämmchen spielen können.«
    Sie sah sich in Annelis Zimmer um. »Wo sind deine Puppen?«
    »Ich glaube, ich bin zu groß dazu«, sagte Anneli.
    »Quatsch. Wer redet dir das ein; Die Jungs, was? Jungs sind bescheuert. Du mußt nicht auf sie hören. Kuck, was ich mitgebracht habe. Meine Puppen heißen Klara und Wanda. Die dritte heißt Anneli, nach dir. Leider hat sie ein Loch im Kopf. Meinst du, das kann jemand kleben? Vielleicht der kleine Mensch mit dem Hanomag und der komischen Mütze?«
    Sie meinte Sternchen.
    Es endete damit, daß Anneli ihre Puppen wieder vom Dachboden holte, wo sie in einem Reisekorb lagen. Sogar der Hund mit der Holzwollefüllung wurde vorgeholt. Zeppelin, der mit zunehmendem Alter ungnädiger wurde, vermied das Zimmer der Mädchen. Wahrscheinlich fürchtete er, wieder Vater spielen zu müssen.
    Lauras Mutter fand Gefallen an der Arbeit am Tresen. Sie zapfte Bier, goß Schnäpse ein, servierte Bouletten und Soleier. Nur von ihrer langen Zigarettenspitze trennte sie sich nicht, sie rauchte unentwegt. Es sah komisch aus, wenn sie und Kitty zusammentrafen, beide mit ihren Spitzen. »Das Turnier zweier Lanzenreiterinnen«, nannte Vater das. Im Schützenhaus wurde die Dampflanze erfunden. Ständig kräuselte sich Zigarettenrauch über den beiden Bubiköpfen.
    Die neue Attraktion sprach sich schnell herum. Viele Jugendliche kamen und einzelne reifere Herren und hefteten ihre Blicke auf Lauras Mutter. So Portier Radke, der mit einem Kollegen, Portier Kutschke, kam. Das ging so lange gut, bis Frau Radke die Männer eines Abends abholte. Sie kam, sah und zog ihren Schuh aus, den sie Radke auf den Kopf schlug. Von da an wagte er es nicht mehr, Lauras Mutter anzusehen.
    Oma und

Weitere Kostenlose Bücher