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Das Schützenhaus

Das Schützenhaus

Titel: Das Schützenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
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staunte, wie viele Leitern es auf dem Grundstück gab. Die Girlanden fielen. Wir weißelten Wände und Decke.
    Sternchen drückte sich. Draußen paradierte er vor Großmutter mit der Kaffeetante.
    »Komm raus aus deinem Paschazelt«, rief Großvater.
    Sternchen schlüpfte unter der Kaffeetante hervor, lehnte sich an die Wand. Opa befahl: »Du, mein junger Freund, richtest eine Stehbierhalle ein. Sofort. Hier im Eingang. Lauras Mutter kann das dann übernehmen, wir schenken Faßbier aus. Bevor die Leute ins Kino gehn, auch nachher, trinken sie gerne ein Bier. Die Kinder Faßbrause. Oder Pupenbier. Wenn Laura Pupenbier mag, ist es für die anderen Kinder auch gut.« Er wendete sich zu Joachim um: »Wenn fertig jemalt ist, stellen wir die Filme zusammen. Wir beide.«
    Joachim sah ihn durch seine Brille mit dem kugelsicheren Blick an. Allerdings war auch Erstaunen hineingemischt.
    Es blieb nicht aus, daß Großvater meine Werkstatt inspizierte. »Fliegen willste damit?« fragte er und deutete auf meinen Apparat. »Det wird ein Sturzflug«, prophezeite er, setzte jedoch hinzu, das mache nichts, man wünsche Piloten Haisund Beinbruch, und er habe auf dem Boden einen Sack Gips gesehen.
    Mein Vater legte sich ins Bett und errichtete Faschinen in Form von Zeitungen um sich. Über den Zeitungen stiegen blaue Wölkchen von seiner Zigarre auf. Kalt kaute er sie, wenn er mit der Welt und dem Leben im Einklang stand. Der Rauch deutete darauf hin, daß er wütend war.
    Buden und ein Karussell wurden aufgebaut, Stände errichtet. Schausteller kamen. Die Wiese verwandelte sich in einen Festplatz. Vom Schießstand her knallten die Karabiner. Drei Tage sollte das Fest dauern.
    Am Freitag nachmittag zogen die Schützen ein, mit Musik, die Kapelle blies Märsche. Die Schützen trugen Uniform. Herrn Schönickes Brust war von Medaillen und Schützenschnüren bedeckt. Die Schützen hatten ihre Gewehre geschultert und marschierten im Gleichschritt. Vater, im dunklen Anzug, um den weißen Umlegekragen eine Krawatte, strahlte. »Im preußischen Jeist«, murmelte er. Am Rockaufschlag trug er das Abzeichen des Kyffhäuserbundes.
    Vor dem Festzelt, in dem es Bier, Bouletten und Eisbein gab, drehten sich Eismaschinen. Der Motor trieb Scheiben an, die mit bunten Kringeln bemalt waren. Die Eismaschinen gehörten einem Herrn Lazzaroni, wie auf einem Schild geschrieben stand. »Einer von diesen Mausefallenhändlern«, brummte Opa. Es gehörte zum Umgangston, daß man die Italiener Mausefallenhändler oder Makkaronifresser nannte, ein Österreicher war Kamerad Schnürschuh, nach der Fußbekleidung, die Österreichs Truppen im Krieg getragen hatten. »Warum kamen sie stets zu spät?« räsonierte Opa, »weil sie ihre Wickelgamaschen über die Schuhe schnüren mußten. Inzwischen war der Russe vorgestoßen.«
    Der Russe, der Franzmann und der Tommy. Man dachte und fühlte deutsch. Geschichtslehrer Bullus verwandelte die Niederlage an der Marne in einen deutschen Sieg: »Wir schwächten die Angriffskraft des Feindes«, rief er triumphierend und hämmerte mit dem Zeigestock auf die Landkarte ein, die uns die Kriegsschauplätze von 1914 zeigten. Immer fügte er hinzu, daß die Sozialisten und Kommunisten »dem deutschen Soldaten einen Dolchstoß in den Rücken« versetzt hätten.
    Die Schützen marschierten. Sie nahmen Aufstellung. Die Kapelle spielte. Die Sonne brannte. Von allen Seiten strömten Besucher auf den Festplatz, in Sonntagsanzügen die Männer, die Frauen in meist selbstgeschneiderten Sommerkleidern. Fastalle Kinder trugen Matrosenanzüge. Das gefiel Opa. Zufrieden blickte er auf die Kleinen. Er hatte darauf bestanden, daß auch Laura und Anneli Matrosenkleider anzogen.
    »Steht das Programm?« fragte er Joachim.
    Joachim nickte: »Alles klar.«
    Mit Werners, Sternchens und Lehmanns Hilfe hatte er ein gemischtes Kurzfilm-Programm zusammengestellt, dreitausend Meter Film. Niemand würde sich langweilen. Werner saß am Klavier, ein frisches Bier vor sich. Erschienen auf der Leinwand Zwischentitel, untermalte Werner sie mit gefühlvollen, der Handlung angepaßten Läufen. Manchmal verstieg er sich zu Kommentaren. Erschien auf der Leinwand der Text: »Zehn Jahre später …«, so ergänzte Werner: »blies der Stabstrompeter.« Und ähnlichen Unsinn. Das Publikum lachte. Und verlangte von Lauras Mutter Getränke.
    Die Schützen ballerten. Auf der Wiese drehten sich das Karussell und die Scheiben der Eismaschinen. Ein Geiger und einer mit einem

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