Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schützenhaus

Das Schützenhaus

Titel: Das Schützenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
Vom Netzwerk:
anderswohin bestellt waren. Aber daran erinnerte sich keiner mehr.
    Als die Dämmerung hereinbrach, entfachte Sternchen auf der Festwiese ein Feuer. Im Schein der Flammen stellte Isabella sich mit einigen Mädchen aus ihrer Schar auf. Alle trugen weiße Blusen mit dem Hakenkreuz-Nappo vorne drauf. Die Mädchen sangen:
    »Flamme empor!
Steige mit loderndem Scheine
von den Gebirgen am Rheine
glühend empor!
    Heilige Glut!
Rufe die Jugend zusammen,
daß bei den lodernden Flammen
wachse der Mut.«
    Das Lied stammt von achtzehnhundertvierzehn. Die Mädels wurden von Isabella in den grünen Waggon geführt und bekamen Würstchen mit Kartoffelsalat.
    Die Gesellschaft an der Tafel wechselte, Verwüstung allenthalben, gegen die Robinson und seine Lohnkellner ankämpften. Jetzt wurde wiederum aufgetragen. Das Brautpaar hielt aus, umrundet von den sechs Husaren, denen der Schweiß unter den Pelzmützen hervorrann. Aber sie weigerten sich, Vaters Vorschlag zur »Marscherleichterung« anzunehmen.
    »Weißt du noch«, raunten sie unter ihren Mützen. Papa Warnicke schilderte den Kampf um Schloß Hollebeke in Belgien: »Den englischen Maschinengewehrschützen haben wir mit der Lanze an die Wand genagelt. Wer war das? Zugführer Winkler? Ach, man vergißt einiges. Die Engländer schossen mit Revolvern. Sie hatten Eisenschilde in den Händen, das wiederum habe ich nicht vergessen. Wie im Mittelalter. Neben mir im Granatloch saß ein Ziethenhusar, der hatte einen Schuß durch den Fuß. Mein schöner Stiebel, rief er immerzu. An seinen Fuß dachte er nicht.«
    »Ist wahr«, sagte ein anderer Husar, »der Fuß heilt zu, der Stiebel nicht.«
    Auf diese Erkenntnis mußten sie eine Lage trinken. Ede Kaiser sagte, vor diesem verdammten Schloß habe Regimentskamerad Senftepuhl, genannt die Tolle Nummer, einen Kopfschuß bekommen. »Ach, watt, Koppschuß«, schrie Warnicke. »Die Kugel hat ihm ’nen anständijen Scheitel jezogen. Aber er hat’s überlebt. Später konnte Senftepuhl seinen Finger in die Narbe legen, und denn hat er immer zitiert: ›Durch diese hohle Jasse muß er kommen!‹«
    Opa hielt ebenso eisern aus, davon abgesehen, daß er alle Viertelstunde einen Ausflug aufs Kinoklo machte. Glücklicherweise lag das in seiner Nähe. »Die Kavallerie – halb Mensch, halb Vieh, zu Pferd gesetzte Infantrie«, schrie Opa. »Wer spricht von der Marine? Ick sage nur: Skagerrak!«
    »Opa«, sagte Tante Deli, »die Geschichten kennen wir alle aus Lindow!«
    »Hat sich wat!« dröhnte Opa. »Hab’ ich euch erzählt, wie wir mit unserer Artillerie … «
    »Haste, Opa.«
    »Wie die Torpedoboote unsere ›Lützow‹ einjenebelt haben?«
    »Haste.«
    »Zum Donnerwetter«, sagte Opa und warf sich im Stuhl zurück. Der Stuhl fiel um. Die Husaren sprangen hinzu und setzten Opa wieder auf. Sie kehrten nach Schloß Hollebeke zurück. Nach einer Weile rief Opa: »Wißt ihr, daß Admiral Hipper auf das Torpedoboot G 39 umgestiegen ist? Mitten in der Schlacht?«
    »Wirf Anker, Opa.«
    »Geh an die Boje.«
    »Zum Donnerwetter«, rief Opa. Und fiel hintenüber. Die Husaren richteten ihn auf.
    »Ick suche da unten wat«, brummelte Opa. Dann rief er Werner zu: »Jetzt singen wir die Pferdeknechte an die Wand. Melk die Orgel!«
    Opa stellte sich hin, er mußte sich an der Tischkante festhalten. Werner war wirklich an die Orgel gegangen, sah zu Opa hinüber. Opa begann:
    »Das ist die Liebe der Matrosen –
auf die Dauer, lieber Schatz,
ist mein Herz kein Ankerplatz.
Es blühn in jedem Hafen Rosen,
und für jede gibt es tausendfach Ersatz.«
    Werner untermalte Opas Gesang mit leisen Orgeltönen. Für Überraschung sorgten die Husaren, die aufstanden und in den Refrain dieses Liedes von der Konkurrenz einfielen:
    »Man kann so schön im Hafen schlafen,
doch heißt es bald auf Wiedersehn!
Das ist die Liebe der Matrosen –
es geht fort und an Bord –
ahoi, Herr Kapitän!«
    Sie sangen es dreistimmig, als hätten sie es vorher einstudiert, und die Zuhörer machten gerührte Gesichter. Joachim sagte: »›Bomben auf Monte Carlo‹. Mit Hans Albers. Auch diesen Tonfilm werden wir vorführen. Hier in diesem Saal.«
    Nur Anneli und ich hörten Joachims stolze Worte. Wiederum spielte Werner auf der Orgel einen Tusch. Im Saal flammten Lampions auf, Joachim hatte Glühbirnen-Lichterketten installiert, über die Glühbirnen hatten wir Lampions gestülpt. Wir sahen in den Park. Um das Feuer flammten Fackeln auf, bildeten eine Lichtergasse. Die Zuschauer wichen

Weitere Kostenlose Bücher