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Das Schützenhaus

Das Schützenhaus

Titel: Das Schützenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
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Walter Pommrehnke, zum zweitenmal in seinem Leben Bräutigam, gab seine Bettenburg auf. In diesen Tagen sah man den einen oder anderen mit seinem Bettzeug unter dem Arm durch Gänge oder, wie Lydia und Anneli und mich, sogar über die Wiese ziehen.
    Mein Vater zog mit seinem Bett über den Gang, in Tante Delis Zimmer. Mochte er. Gleich waren sie ja verheiratet. Dann durfte er sich legal in Wort und Tat auf das Marmorpalais beziehen. Opa richtete sich in Vaters Zimmer ein, unsere Zimmer waren an Verwandte vergeben, die wir nur vom Hörensagen kannten. Eines Morgens war Tante Delis Cousine mit ihrem Mann erschienen, der Mann war Radiosprecher und sie ein elegantes älteres Mädchen, die in einer Art Strandhose einherlief und lange Ketten aus dunklen Steinen trug, die bei jeder Bewegung rasselten. Das Paar wünschte mit Arthur und Lorchen angesprochen zu werden, was wir bereitwilligst taten, obwohl Sternchen Siegel meinte, Lorchen hießen nur Papageien und Wellensittiche. Arthur hatte eine schöne, geschulte Stimme. Dieser Stimme verdankte er seinen Job.
    Stammgäste, Sommergäste, längst vergessene Freunde, aus dem Nichts auftauchende Familienangehörige vermengten sich zu einer Menschenschar, die, ihre Mitglieder zuweilen austauschend, jedoch in immer gleicher Personenzahl vorhanden, durchs Haus treppauf, treppab zogen, Getränke verlangten, sie bezahlten oder nicht bezahlten, sich zu schnellen oder lange dauernden Mahlzeiten niederließen. Tische standen auf der Veranda, im Wirtsgarten, vor dem Saal, dessen halbe Stirnwand niedergefallen war. Sternchen Siegel und Robinson Krause trieben eine Schar von Hilfskellnern an. Die Schützengilde marschierte ein und knatterte schneidige Übungssalven.
    Wem galt das alles? Diesen beiden, uns vertrauten Menschen, meinem Vater und Tante Deli, die mehr als jeder Hilfskellner in die Bedürfnisse des Sommerbetriebs verwickelt waren? Die Gäste, die hier herauskamen, wollten die Natur genießen, ihr Eisbein verzehren. An normalen Sonntagen waren das zwei-,dreihundert Leute. Diesmal ging es zu wie beim Schützenfest. Menschen in bunten Kleidern wallten über die Wiese.
    Sonnabend morgen, Zeit fürs Standesamt. Opa hatte ins Bett gepinkelt. Sein Laken hing zum Trocknen übers Treppengeländer. Er war dennoch guter Laune. »Det junge Paar!« rief er ein ums andere Mal, bis ihm Oma befahl, er solle die Klappe halten und »lieber noch mal aufs Klo gehen, bevor wir abfahren«.
    Musik erklang, die Kapelle der Schützengilde marschierte an. Vor dem Schützenhaus nahm sie Aufstellung. Der Badenweiler Marsch ertönte. Das Brautpaar stand auf der Verandatreppe, die Säulen waren mit Girlanden aus frischem Grün geschmückt. Unser Vater trampelte mit einem Fuß den Takt mit. Dann trat er Tante Deli auf den Rocksaum. Als der Marsch zu Ende war, stand sie auf einem Stuhl, und Oma steckte ihr den Saum hoch. Anneli hielt solange das Blumenbukett.
    Jetzt stoben sechs Reiter in roten Röcken heran, der Reiterverein erwies seine Referenz. Dies waren, vorgeschickt, die Hornbläser. Sie stellten sich in einer Reihe auf und bliesen Hornsignale. Alles war sehr schön, manchem Zuschauer blinkten Tränen in den Augen. Die Gäste, die zu dieser Stunde im Garten ihren Frühschoppen tranken, sprangen auf und klatschten.
    Hinter den Reitern bogen Kutschen in den Hof ein, in diesen Kutschen, alles offene Landauer, sollte zum Standesamt gefahren werden. Dann rüttelte Ede Kaisers Chevrolet vors Haus. Aus dem Chevrolet stiegen sechs Regimentskameraden. Einschließlich Ede Kaiser trugen sie Husarenuniform. Die Felduniform, graue Röcke mit Verschnürung, graue Pelzmützen.
    Papa Warnicke befand sich unter ihnen. Die Sechs nahmen vor der Treppe Haltung an, grüßten. Auch mein Vater legte die Hand zum Gruß an den Rand des schwarzen Gocks, den er zu seinem Gehrock trug.
    Der Geruch von Kampfer breitete sich aus, die Uniformen hatten lange in der Mottenkiste gelegen. Papa Warnicke meldete: »Sechs Husaren der Leibschwadron angetreten!«
    »Danke«, sagte mein Vater. Knapp und militärisch.
    Tante Deli murmelte: »Ein reizender Einfall.«
    »Neunzehntes Jahrhundert!« sagte Joachim.
    »Fehlt dir Hannemanns SA-Sturm?« konterte ich.
    Inzwischen bliesen die Jagdreiter: »Das ist der erste Streich – das ist die Leib…« Weckruf der Husaren, jeder von uns kannte die Melodie, singend hatte sie unser Vater uns vermittelt, als wir klein waren. Zeit zum Aufstehen.
    Das Brautpaar nahm in der ersten Kutsche Platz,

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