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Das Schützenhaus

Das Schützenhaus

Titel: Das Schützenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
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beiseite. Im Eingang nahm die Kapelle der Schützengilde Aufstellung.
    Der Hohenfriedberger Marsch ertönte. Wir sahen im Licht der Fackeln einen Schimmel tänzeln. Auf dem Schimmel saß eine gekrümmte Gestalt, den Dreispitz auf dem Kopf.
    »Der Alte Fritz!« riefen die Leute.
    Aber bald wurden ihre Rufe von anderen übertönt, die riefen: »Otto Gebühr!«
    Er war es. Leberecht Lehmann verdankte das Brautpaar diese Überraschung. L.-L. hatte es möglich gemacht. Der Alte Fritz ritt auf seinem Schimmel in den Festsaal. Vor dem Brautpaar stieg er ab, warf den Zügel einem Pagen in rotschimmerndem Wams und mit Zopfperücke zu. Dieser Page war, wir sahen es mit Erstaunen, Anneli.
    Der Alte Fritz nahm den Dreispitz ab und begrüßte das Brautpaar, die Braut mit Handkuß, den Bräutigam mit Händedruck und Schulterschlag. Die sechs Husaren hatten Haltung angenommen und standen, die Hände an den Mützen. Otto Gebühr winkte gnädig, die Husaren nahmen wieder Platz.
    Lehmann hatte an alles gedacht. Sechs Lohnkellner servierten in Grenadieruniform, mit hohen Blechmützen, lange Kerls. Die Schützen spielten Marschmusik, gedämpft, wie es dem Anlaß entsprach. Der König speiste mit dem Brautpaar. Noch vor dem Dessert erhob er sich, schritt zu seiner Kutsche, die draußen wartete. Die Musikkapelle verfiel noch einmal dem Hohenfriedberger.
    Otto Gebühr drehte gerade »Das Flötenkonzert von Sanssouci«.Alle Uniformen stammten aus dem Fundus von Ufa-Babelsberg. Opa muffelte: »Dieses Fest hat die Kavallerie fest in der Hand.« Oma beugte sich zu ihm und sagte zärtlich: »Du oller Döskopp.«

15
    »Warum läßt du uns, Herr, abirren von deinen Wegen und unser Herz verstocken, daß wir dich nicht fürchten?« Der Spruch stand auf einem Kalenderblatt. Ich hatte es auf Omas Nachttisch gefunden, am Tag nach ihrer Abreise, und in meine Brieftasche gelegt.
    Hatte sie es zufällig liegenlassen? Oder in der Hoffnung, daß es einer von uns findet, wie es ja auch geschehen war? Und daß er den Spruch allen anderen Mitgliedern dieser Familie zeigt, die man, von Omas Standpunkt aus gesehen, als gottlos bezeichnen mußte. Oma war eine fromme Frau.
    Vielleicht hatte sie aber auch gezielt die Hoffnung, daß Tante Deli den Spruch fand, die frischgebackene Ehefrau, wie Oma sie genannt hatte. Denn Tante Deli hatte Oma die nichtstattfindende kirchliche Trauung mit ihrer von dem Kohlrabiapostel vermittelten Weltanschauung erklären wollen. Dies sei nun eine anerkannte neue Religion, ihre Anhänger nannten sich deutschgottgläubig. Großmutter hatte gemeint, da solle der Erzengel Gabriel mit dem Teufel zusammen zwischenfahren, für einen Engel allein sei das nicht mehr zu schaffen.
    Hatte Oma also beabsichtigt, der Braut und neuen Ehefrau eine Mahnung mit auf den Weg zu geben, so war ihre Absicht vereitelt: Das Blatt ruhte in meiner Brieftasche.
    Gleich nach der Hochzeit reiste ich mit Wuttke an die Kurische Nehrung. Ein Segelflug-Wettbewerb fand dort statt. Wuttke interessierte sich besonders dafür, weil der bekannte Pilot Wolf Hirth ein völlig neues, nach brandneuen aerodynamischen Erkenntnissen konstruiertes Segelflugmodell vorführen würde. Ich war nun Flugmodellbauer mit Abschlußprüfung, der Beruf war ziemlich neu, einen Teil der Prüfung absolvierte ich vor einer aus drei Ingenieuren bestehenden Kommission des Dampfkessel-Überwachungsvereins.
    Es war meine bisher längste Reise. Der Zug fuhr durch einesommerliche Landschaft, die mich an unsere Fahrten nach Lindow erinnerte. Weithin breiteten sich goldene Kornfelder. Einmal zog dunkelblau eine Gewitterwand auf, während das Licht der Sonne noch voll auf den Felsen lag. Ich fand das schön. Wuttke erklärte mir die Thermikverhältnisse angesichts dieser Wetterlage.
    Wir blieben bis Ende September auf der Nehrung. Anneli schrieb, sie habe die Reitlehrerprüfung bestanden und gehe für drei Monate nach Krampnitz, um die Fahrprüfung abzulegen. Berenice sei im Gut eingestellt, beim Reiterverein. Das Tonfilm-Kino sei eröffnet worden, mit »Die drei von der Tankstelle«. Der erste Film, in dem Heinz Rühmann mitspielte. »Ein Bombenerfolg«, schrieb Anneli. »Und alles funktioniert, sogar die Lautsprecher.«
    Ich absolvierte meine ersten Flugstunden am Knüppel eines Segelflugzeugs, einer Schulmaschine »Grünau 9«. Wuttke wollte, daß ich im folgenden Jahr die erste Prüfung machte. Es sei gut fürs Geschäft, meinte er. Denn er merkte, daß ich der geborene Pilot nicht war. Zwar

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