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Das Schützenhaus

Das Schützenhaus

Titel: Das Schützenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
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Produktion weltanschaulich steuern. Wir werden nur noch Filme spielen, die Goebbels und Konsorten passen, solange die an der Macht sind. Und das wird eine Weile dauern.«
    »Versündige dich nicht«, rief Tante Deli. »Und halte lieber den Mund. Du wirst das nicht ändern.«
    Werner sagte: »Neuerdings kommt man für so was nach Oranienburg.«
    Sternchen saß dabei und sagte nichts. Er sah uns reihum an, immer wieder.
    Joachim raffte die Zeitschrift vom Tisch. »Verlorene Zeit, wenn ihr alle glaubt, daß die uns nicht in die Mangel nehmen.«
    »Es ist doch Demokratie«, sagte mein Vater.
    »Bist du vernagelt? Oder verkalkt?« sagte Joachim. »Geh zu deinem ollen Wilhelm zwei nach Doorn. Holzhacken. Vielleicht braucht er bald wieder einen Leibhusar. Merkt ihr denn nicht, daß es mit der Demokratie vorbei ist?«
    »Halt dich zurück«, ermahnte Tante Deli.
    Aber Joachim war in Fahrt wie nie zuvor. »Ihr werdet es nicht begreifen«, sagte er. »Stolz weht die Fahne Schwarz-Weiß-Rot, wie? Ihr werdet euer blaues Wunder erleben. Oder vielmehr euer braunes Wunder.«
    Von diesem Tag an ging es Schlag auf Schlag. Goebbels hielt auf dem Ufa-Gelände in Babelsberg eine Rede vor Mitgliedern der Nationalsozialistischen Betriebszellen-Organisation. In seiner Eigenschaft als Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda führte er aus:
    Ihm seien Nachrichten von Miesmacherei und Pessimismus aus dem deutschen Filmwesen bekannt geworden. Er betone, daß er der allerletzte sei, der den deutschen Film sterben lassen wolle. Bisher allerdings habe der deutsche Film seine tiefste Aufgabe nicht erfüllt, nämlich die Aufgabe einer jeden Kunst: Vorkämpfer nationaler Kultur zu sein. Er habe in unwürdigerWeise Schuhputzerdienste geleistet, sei allen Erscheinungen nachgehinkt. Das werde jetzt anders. Auch im Film sei Gleichschaltung Voraussetzung.
    »Da habt ihr’s«, rief Joachim. »Gleichschaltung. Wißt ihr, was das heißt? Nur noch Themen, die denen in den Kram passen. Seht euch die Wochenschauen an, die wir bekommen. Heil-Rufe, SA-Aufmärsche. Meint ihr, die Filme von denen werden anders aussehen?«
    »Er sagt aber doch, die Filmkunst liege ihm am Herzen«, warf Vater ein. Doch Joachim hörte nicht hin. »Allenfalls drehen sie seichtes Volksverdummungszeug. Das wird ihnen einfallen zum Thema Filmkunst.«
    Die ersten von vielen folgenden Aussprachen, immer über dasselbe Thema. Tante Deli wollte Joachim bremsen, sie deutete auf Lydia, die mit ihrem Wischlappen unter den Tischen herumkroch, und meinte Hannemann.
    Manchmal waren Gäste anwesend. Aber Joachim scherte sich nicht darum. Er wurde laut und heftig.
    An den Spitzen wechselten die Männer. Engl flog, seinen Nachfolger bezeichnete das »Film-Journal« als zielbewußten politischen Leiter der nationalsozialistischen Lichtspieltheaterbesitzer. Joachim schäumte: »In so einem Verein sind wir Mitglied.«
    Vater dämpfte: »Wir sind nicht gefragt worden. Und du kannst kein Kino betreiben, wenn du nicht in diesem Verband bist.«
    »Wohl, wohl«, sagte Joachim. »Vielleicht trittst du in die Partei ein, damit wir ungeschoren bleiben.«
    »Wieso du nicht?« fragte mein Vater.
    »Mir paßt der Kram nicht«, sagte Joachim. »Siehste. Mir auch nicht«, sagte mein Vater.
    »Warum läßt du uns, Herr, abirren von deinen Wegen und unser Herz verstocken, daß wir dich nicht fürchten?« Omas Kalenderblatt. Einmal, es war lange nach unserem Ausflug ins Forsthaus, holte ich es vor und zeigte es Anneli.
    »Großmutter hat das liegengelassen?« staunte sie. »Meinst du, sie ist fromm?«
    »Ich glaube, ja.«
    »Eigentlich wissen wir nicht, was das ist, fromm. Heutzutage ist niemand mehr fromm.«
    »Bedauerst du es?«
    »Ich denke schon. Doch, ich glaube, ich bedauere es.«
    »Bedauerst du sonst nichts?«
    Sie lachte mich an. »Mit dir werde ich noch mal Schlitten fahren.«
    Das alte Radio hatte noch die Sendungen nach dem Reichstagsbrand übertragen. Hätte mein Vater nicht bereits damals, Ende Februar, merken müssen, was sich anbahnte? Später sagte er, daß er Hindenburg vertraut habe, dem Feldherrn aus dem Weltkrieg, Sieger von Tannenberg. Wenn Hindenburg als Reichspräsident Hitler zum Kanzler ernannt habe, so hätte das in Ordnung sein müssen. Zudem: Er sei Mitbesitzer der Schützenhaus-Lichtspiele, habe gesehen, wie Hugenberg die Ufa sanierte, schließlich, im Januar dreiunddreißig, als Wirtschaftsminister in Hitlers Kabinett eingetreten sei. Alles habe seine Ordnung gehabt.
    Wie im

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