Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das schwarze Blut

Titel: Das schwarze Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
Vom Netzwerk:
ist ›wir‹?«
»Die Familien. Wir haben die betroffenen Familien quer durch Europa ausfindig gemacht. Wir haben uns zusammengeschlossen. Unsere Aktion richtet sich auf Malaysia.« Er lachte unerwartet hämisch. »Der Kerl sitzt in der Falle.«
Schrecker wirkte erregt – und Mark ließ sich von seiner Stimmung anstecken. Wie oft hatte Reverdi zugeschlagen? Im Geist markierte er schon mit Filzstift auf einer Karte von Südostasien die Gegenden, in denen der Taucher gemordet hatte. Die verbreitete Definition des »vielfachen Wiederholungstäters« fiel ihm ein: »Wie die meisten Sexualstraftäter ist er ein sehr beweglicher Mensch, der viel unterwegs ist, sozial kompetent, zumindest nach außen hin, denn er versteht es, sich den Anschein von Normalität zu geben und seine Opfer nicht argwöhnisch zu machen – und der Ort des Verbrechens unterliegt allein seiner Kontrolle …«
Mark wagte sich noch einen Schritt weiter:
»Verraten Sie mir wenigstens die Nationalität der Frauen?«
»Auf Wiederhören! Ich habe Ihnen sowieso schon zu viel gesagt.«
»Warten Sie!«
Mark hatte beinahe geschrien. In gedämpfterem Ton fuhr er fort:
»Ich möchte wissen, wie sie aussehen. Mehr nicht. Schicken Sie mir nur ihre Fotos.«
»Damit Sie sie in Ihrer Zeitung veröffentlichen?«
»Ich schwöre Ihnen, dass nichts davon publiziert wird. Ich will sie nur mit den anderen Opfern vergleichen.«
»Es gibt keine Ähnlichkeiten. Das haben wir als Erstes überprüft.«
»Nur die Fotos. Ohne Namen und Herkunft.«
»Kommt nicht in Frage. Wir haben lediglich Vermutungen. Und wir versuchen, Länder, die sich alles andere als grün sind, zur Zusammenarbeit zu bewegen. Und das bei verschiedenen Justizsystemen. Eine ziemlich harte Nuss. Wegen eines Journalisten werde ich ganz bestimmt kein Risiko eingehen …«
»Vergessen Sie den Journalisten. Vergessen Sie die Publikation. Ich will nur kapieren, worum es geht. Es ist ein persönliches Anliegen, verstehen Sie?«
Wieder schwieg der Anwalt. Nun war Mark zu weit gegangen; aber mit seinem Geständnis hatte er offensichtlich ins Schwarze getroffen. Zwei Jäger hatten sich gefunden.
»Welche Garantien geben Sie mir, dass Sie das absolut für sich behalten?«
»Schicken Sie mir die Fotos per Mail, mit niedriger Bildauflösung. Dann kann ich sie nicht in die Zeitung setzen, sondern nur auf meinem Rechner ansehen.«
Nachdem sich der Anwalt Marks Mailadresse notiert hatte, schloss er:
»Ich schreibe Ihnen den jeweiligen Aufenthalt und den vermutlichen Zeitpunkt des Verschwindens dazu. Zu Ihrer Orientierung.«
»Vielen Dank.«
»Wohlgemerkt, das geht nicht ohne Gegenleistung. Sobald Sie Ihrerseits irgendwas rausfinden, geben Sie mir sofort Bescheid.«
»Selbstverständlich.«
Wieder eine Lüge: Mark war ein Einzelkämpfer, seine Erkenntnisse teilte er grundsätzlich nicht. Er wollte schon auflegen, als ihm noch etwas einfiel: Er wollte dem Mann seine innerste Überzeugung entlocken.
»Sind Sie sicher, dass Reverdi ein Serienmörder ist?«
Der Anwalt schwieg einen Moment und ließ seine Antwort reifen – seine Worte sollten einschlagen wie ein Urteil.
»Eine wilde Bestie«, sagte er schließlich. »In den beiden bekannten Fällen hat er mehr als zwanzig Mal zugestochen. Er hat seinen Opfern das Gesicht, das Geschlecht, die Brüste zerschnitten. Er handelt unter dem Einfluss einer Krise, aus einem plötzlichen Trieb heraus, der ihn zu töten zwingt, ohne Vorwarnung, ohne Plan. Eine wilde Bestie. Er schächtet seine Opfer!«
Schrecker irrte sich. Mark wusste aus Erfahrung, dass Reverdi sehr wohl nach Plan handelte, nach einem sorgfältig ausgearbeiteten Plan, sonst wäre er schon nach dem ersten Mord verhaftet worden. Nein, Reverdi legte die Falle für seine Opfer immer sorgfältig aus. Es war ihm gelungen, die jungen Frauen in seine Höhle zu locken, und in zwei Fällen hatte er dann die Leiche verschwinden lassen. Mit einem hatte der Anwalt allerdings gewiss Recht: Reverdi handelte aus einer jähen Umnachtung heraus. Einer chaotischen Raserei. Irgendetwas, ein ganz banaler Anlass vielleicht, befahl ihm zu töten. Was?
Ein eisiges Prickeln überlief ihn. Das war ein Schlüsselelement, wie er es liebend gern entdecken würde: der Funke des Bösen im Hirn des Mörders. Der Gedanke brachte ihn auf eine weitere Frage:
»Besteht die Chance, dass ich ein Interview mit ihm kriege?«
»Auf keinen Fall. Im Augenblick hat er sowieso Mattscheibe, aber auch wenn er wieder bei sich ist, wird er kein Wort sagen. Seit

Weitere Kostenlose Bücher