Das schwarze Blut
Diskretion. Sie werden verstehen, dass ich keinerlei Risiko eingehe.«Mark räusperte sich:
»Sie können sich nach mir erkundigen. Ich bin ein seriöserJournalist.«
»Darum geht es nicht.«
»Ich werde Ihnen meinen Artikel vor der Veröffentlichungvorlegen, das verspreche ich Ihnen. Ich …«Der Anwalt brach in Gelächter aus, und seine Stimme schien sich dabei binnen Sekunden zu verjüngen.
»Wenn Sie wüssten, wie viele Artikel man mir schon vor der Veröffentlichung vorlegen wollte und die ich nie zu Gesicht bekommen habe!«
Mark ging nicht weiter darauf ein – soweit er sich erinnerte, hatte auch er in dieser Hinsicht nie Wort gehalten, kein einziges Mal. Stattdessen setzte er auf Pragmatismus:
»Ich bin seit zwanzig Jahren Gerichtsreporter und gehöre nicht zu denen, die irgendwelche Behauptungen von sich geben. Wenigstens über die Tendenz könnten Sie sich äußern. Sehen Sie eine Verbindung mit dem Mord von Papan oder nicht?«
Der Anwalt schwieg.
»Wird die kambodschanische mit der malaysischen Justiz zusammenarbeiten?«
»Hören Sie, ich …«
»Wird der DPP von Malaysia nach Kambodscha reisen?«
Das Schweigen des Anwalts veränderte sich; schließlich sagte er resigniert:
»Ich habe mich mit ihm in Verbindung gesetzt, in Johor Baharu, aber keine Antwort erhalten. Und ob die Kambodschaner bereit sind, ihm die Akte Kreutz auszuhändigen, wissen wir ebenso wenig.«
»Warum rücken Sie sie nicht heraus?«
Der Anwalt lachte missmutig:
»Weil wir sie nicht haben. 1997 waren wir nur ausländische Berater. Die Khmer sind sehr empfindlich, was die Kompetenzen angeht. Nie und nimmer würden sie sich von Leuten aus dem Westen etwas sagen lassen.«
Der Anwalt geriet in Fahrt; Mark spürte, dass ihn die Sache fesselte.
»Über eines müssen Sie sich im Klaren sein«, fuhr er fort.
»Die Roten Khmer haben achtzig Prozent der kambodschanischen Juristen umgebracht. Die Anwälte und Richter in Kambodscha haben momentan ein Ausbildungsniveau wie Volksschullehrer. Dazu kommen die Korruption und die politische Einflussnahme auf die Justiz. Das reinste Chaos. Außerdem sind die Beziehungen zwischen Kambodscha und Malaysia ziemlich angespannt. Und selbst als wir es mit Thailand versucht haben …«
»Wieso Thailand?«
Der Anwalt gab keine Antwort, aber Mark hatte ohnehin begriffen:
»Es läuft also auch in Thailand ein Verfahren gegen Reverdi?«
Schrecker erwiderte noch immer nichts. Mark ließ nicht locker:
»Ist Reverdi auch in Thailand mit der Justiz in Konflikt geraten?«
»Nicht in Konflikt. Es liegt keine Anklage gegen ihn vor.«
Mark überlegte in Windeseile, während er nacheinander seine Aktenordner aufschlug. Er suchte seine Notizen zusammen – er musste Schrecker unbedingt beweisen, dass er sehr gut recherchiert hatte. Er zählte auf:
»Von 1991 bis 1996 und wieder in den Jahren 1998 und 2000 hat sich Reverdi in Thailand aufgehalten. Auch 2001 und 2002 war er kurz dort. Haben in der Zeit weitere Morde stattgefunden?«
Der Anwalt schwieg, Mark hörte nur sein angestrengtes Atmen: Schrecker wollte nicht reden, aber irgendein innerer Widerstand hinderte ihn, das Gespräch zu beenden.
»Wurden Leichen gefunden?«, fragte Mark weiter.
»Nein«, sagte der Anwalt rasch. »Keine Leichen. Sonst wäre der Fall klar.«
»Was war denn?«
»Es sind Menschen verschwunden.«
»In Thailand sind Menschen verschwunden? Bei acht Millionen Touristen im Jahr? Wie lässt sich da feststellen, ob jemand ›verschwunden‹ ist?«
»Es gibt Übereinstimmungen.«
»Orte?«
»Ja, Orte und Daten.«
Mark überflog seine Dokumentation – bei Reverdis ThailandAufenthalten tauchte ein Ortsname immer wieder auf:
»Phuket?«
»Ja, Phuket. Zwei nachweislich verschwundene Personen. Nämlich in Koh Surin, im Norden von Phuket. Dort hat sich Reverdi eine Zeit lang als Tauchlehrer aufgehalten.«
»Die geografische Nähe beweist doch gar nichts.«
»Das ist nicht alles.« Der Anwalt geriet wieder in Fahrt – sicher hatte es ihn Monate gekostet, all diese Fakten zusammenzutragen. »Die eine verschwundene Frau hat bei ihm einen Tauchkurs gemacht. Die andere hat in seinem Bungalow gewohnt. Dafür gibt es Zeugen. Sie war anscheinend in ihn verliebt. Niemand hat sie je wiedergesehen.«
Mark schauderte: Das Profil eines echten Raubtiers zeichnete sich ab.
»Die Opfer. Sagen Sie mir Ihre Namen.«
»Sie ticken wohl nicht richtig. Wir haben Jahre für diese Ermittlungen gebraucht! Sicher nicht dafür, dass ein Journalist daherkommt und alles vermasselt.«
»Wer
Weitere Kostenlose Bücher