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Das schwarze Blut

Titel: Das schwarze Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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und nicht vergessen, wie er einmal in einer kleinen Bucht mehrmals hintereinander kurz das Bewusstsein verloren hatte. Danach gab er den Sport auf; diese Ohnmachten erinnerten ihn zu sehr an das Koma, das er zweimal erlebt hatte.
    In Wahrheit bezeichnete Reverdi das Freitauchen als Kampf zwischen dem Menschen und dem Meer. Als einen Krieg, den man mit seinem Körper gewinnen musste, um in größerer Tiefe eine Art Schwelle zu überschreiten. In öffentlichen Äußerungen sprach er immer wieder von dieser geheimnisvollen Grenze, die nur der Freitaucher kenne. Nicht allein um den neuen Rekord gehe es, sagte Reverdi, sondern auch um eine geistige Schwelle: einen höheren Zustand, den man paradoxerweise in der Tiefe erlange. Wer ihn so reden hörte, ahnte, dass der Taucher dort unten in der Dunkelheit, bei schwindelerregendem Druck, wenn die Lungenflügel nichts als zwei faustgroße Steine waren und das Licht eine ferne Erinnerung, etwas ganz anderes errang als eine Medaille oder einen Pokal …Mark hatte auch einen Artikel jüngeren Datums ausgegraben, der 1987 im Express erschienen war, als Der Rausch der Tiefe ein regelrechtes Fieber ausgelöst hatte und Tausende junger Leute sich nach dem Film von Besson für das Tauchen begeisterten. Der Redakteur des Artikels hatte Reverdi aufgesucht, der zu dem Zeitpunkt ein einfacher Tauchlehrer in Thailand war. Damals wirkte er viel gelassener, dem Bild von der Weisheit und Spiritualität des Freitauchens viel näher.
    Mark war noch ein Stück weiter zurückgegangen und dabei auf interessante Hinweise gestoßen, auf traumatische Erfahrungen in Reverdis Leben, die möglicherweise eine Erklärung für die gegenwärtigen Vorfälle sein mochten.
    Jacques kommt 1954 in Épinay-sur-Seine im Département Val-d’Oise zur Welt. Als Halbwaise und Einzelkind wächst er bei seiner Mutter, einer Sozialarbeiterin, auf. Es ist eine nicht weiter bemerkenswerte Kindheit – bis sich Monique Reverdi 1968 das Leben nimmt. Jacques – er ist vierzehn – findet die Leiche seiner Mutter zu Hause in einer Blutlache: Sie hat sich die Pulsadern aufgeschnitten.
    Von da an verändert sich die Persönlichkeit des Jungen. Aus dem schüchternen, zurückhaltenden Kind wird ein aggressiver Jugendlicher, ein impulsiver Halbstarker, der von einem Heim ins nächste wandert, weil er immer wieder Diebstähle, Vandalismus, Gewalttaten begeht. Mit siebzehn wird er nach Marseille, in ein sehr fortschrittliches Zentrum für jugendliche Problemfälle geschickt. Das ist der zweite Wendepunkt in seinem Leben. In dem neuen Heim lernt er Jean-Piere Genoves kennen, einen sehr aufgeschlossenen Psychologen und Therapeuten, der ihn ins Tauchen einführt. Für Jacques ist es eine regelrechte Offenbarung, und er legt ein außergewöhnliches Talent an den Tag.
    Schon 1977, nach dem Militärdienst und sechsjährigem Training, stellt Jacques seinen ersten Weltrekord im Tieftauchen mit konstantem Gewicht auf. Diese Disziplin ist besonders schwierig – der Taucher muss dabei aus eigener Kraft hinab- und wieder auftauchen, Gewichte, die den Abstieg erleichtern, sind ebenso wenig erlaubt wie der Aufstieg mit Hilfe eines Fallschirms, wie in der Kategorie No Limits. Als Führung dient ein Seil, das aber nicht berührt werden darf: Daran ist in der angestrebten Tiefe eine Plakette angebracht, die der Taucher als Beweis mit nach oben bringen muss. Jacques erreicht auf diese Weise eine Tiefe von sechzig Metern. Drei Jahre später steigt er bis auf dreiundsechzig Meter ab. Parallel dazu beginnt er mit der Kategorie No Limits und überwindet die Hundert-Meter-Marke, die Jacques Mayol schon 1976 bewältigt hatte. Doch ab 1982, mit achtundzwanzig Jahren, tritt der Champion auf der Stelle. Er gibt den Wettkampf auf und lässt sich in Südostasien nieder, wo es still um ihn wird, bis der Rausch der Tiefe mit seinem ungeheuren Erfolg auch ihn noch einmal für kurze Zeit ins Rampenlicht holt.
    Mark hatte natürlich auch eine Bildersuche durchgeführt und verfügte über zahlreiche Fotos des Champions aus seiner Ruhmeszeit. Dabei war er auch auf ein Foto von Monique Reverdi gestoßen: eine schlaksige, magere Frau, die in ihrem hochgeschlossenen geblümten Laura-Ashley-Kleid fast versank. Eine unzugängliche, beunruhigende Schönheit. Die langen dunklen, in der Mitte gescheitelten Haare ließen ihr schmales Gesicht noch länger erscheinen. Auffällig waren ihr dunkler, eindringlicher Blick und die wie Blütenblätter geformten sinnlichen Lippen,

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