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Das schwarze Blut

Titel: Das schwarze Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Spuren von Vitaminen und Mineralstoffen ergeben. Ein Festmahl.«
Vor Marks geistigem Auge entstand ein infernalisches Bild: Pernille, die sich weigerte, die Süßigkeiten, Torten, Pralinen zu schlucken; ihr verzerrter Mund, die zusammengebissenen Zähne, während ihr der süße Speichel übers Kinn rann.
»Erhöht das etwa die … Fließeigenschaft des Blutes?«
»Nein. Wir sind zu einem anderen Schluss gelangt.«
Alang ließ ein paar Sekunden verstreichen; er verstand es, seine Geschichte spannend zu machen. Beiläufig griff er nach dem Skalpell auf seinem Schreibtisch, das er vermutlich als Brieföffner benutzte, und zeigte damit auf Mark:
»Reverdi hat den Geschmack des Blutes verändert. Er wollte es milder, lieblicher …«
»Du meinst …?«
»Wir denken, dass er es getrunken hat, ja. Das ist ein Vampir, Mann. Ein Irrer, der auf süßes Blut steht. In Papan ist er gestört worden, aber ich bin sicher, dass diese hier nicht seine Erste war – bei den früheren ist er bestimmt auf seine Kosten gekommen. Als die Fischer die Hütte gestürmt haben, war er in Trance. Er schien überhaupt nicht zu kapieren, was los war. Reverdi hat mitunter Krisen, in denen er sich regelrecht … verwandelt. In ein Ungeheuer. Einen Vampir. Ein Filmmonster.«
Mark nickte, doch innerlich war er nicht überzeugt. Das war ihm zu grob, zu vulgär. Und wie passte das zum Weg des Lebens, von dem Reverdi geschrieben hatte? Er wechselte das Thema:
»Habt ihr euch mit der kambodschanischen Justiz in Verbindung gesetzt, wegen möglicher Parallelen mit dem Fall Linda Kreutz?«
Alang legte die Füße auf den Schreibtisch. »Selbstverständlich«, sagte er. »Ich habe sogar mit dem Pathologen in Siem Reap gesprochen, der die Autopsie gemacht hat. Was das Schnittmuster betrifft, ist er weniger kategorisch. Kein Wunder – durch das lange Liegen im Wasser war die Leiche schon angegriffen. Aber in Bezug auf die Art der Einschnitte ist er derselben Meinung wie wir. Vielleicht fährt unser Untersuchungsrichter nach Phnom Penh.«
Mark dachte an den deutschen Anwalt und die beiden anderen mutmaßlichen Opfer in Thailand. Wären deren Leichen gefunden worden, hätte man sicher dasselbe Muster an ihnen gefunden. Reverdis Signatur. Die Spur seines Wahnsinns.
Er stand auf. Ein scharfer, brennender Schmerz fuhr ihm in den Magen – er hatte seit über zwanzig Stunden nichts gegessen.
»Kann ich die Fotos behalten?«
»Nein.«
»Danke.«
Alang lachte. »Findest du nicht, dass du’s ein bisschen übertreibst? Ich hab dir sowieso schon ziemlich viel verraten.«
Mark gab keine Antwort.
Der Gerichtsmediziner seufzte, dann zog er eine Lade auf: »Du hast offenbar bei mir einen Stein im Brett.« Er legte eine Videokassette auf den Tisch. »Geschenk. Das erste Gespräch mit Jacques Reverdi, bei seiner Einlieferung in die Psychiatrie. Die diensthabende Ärztin ist eine Freundin von mir. Ein echter Knüller. Das hat noch nicht mal der Untersuchungsrichter gesehen.«
Mark brach der kalte Schweiß aus. Er riss die Kassette an sich und sagte bebend: »Reverdi … Spricht er über den Mord?«
»Er steht unter Schock.«
»Spricht er darüber oder nicht?«
Mark hatte die Stimme gehoben. Alang setzte eine lässige Miene auf.
»Ja und nein«, sagte er. »Es ist komisch.«
»Was ist komisch?«
»Du wirst dir selber ein Bild davon machen.«
Mark beugte sich über den Schreibtisch.
»Ich will aber deine Meinung wissen. Was ist komisch?«
»Er redet über den Mord, als wäre er ein Augenzeuge und nicht der Täter. Als hätte er die Operation miterlebt, ohne selbst Hand anzulegen. Das ist noch scheußlicher als alles andere. Reverdi wirkt wie ein Unschuldiger. Ein Unschuldiger aus einer fernen Vergangenheit.«
»Was soll das heißen – aus einer fernen Vergangenheit?«
Zum ersten Mal verzichtete Alang auf seinen Sarkasmus.
»Als wäre er aus seiner Kindheit aufgetaucht«, sagte er langsam.
KAPITEL 36
    »Wie heißen Sie?«
Keine Antwort.
»Wie heißen Sie?«
Keine Antwort.
»Wie heißen Sie?«
»Jacques …« Ein Zögern; dann: »Reverdi.«Mark hatte den Hotelchinesen aus dem Schlaf gerüttelt und einen Videorekorder verlangt. Jetzt saß er in seinem Zimmer auf dem Bett und betrachtete die jüngsten Aufnahmen des Mörders von Pernille Mosensen. Am unteren Rand des Bildschirms war das Datum eingeblendet: 11. Februar 2003.
    Die Haare kurz geschoren, abgemagert, in einen grünen Kittel gekleidet, mit Spanngurten an die Armlehnen eines Metallstuhls gefesselt, saß er am schmalen Ende

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