Das schwarze Blut
spürte eine Gefahr nahen. Alang stützte die Ellenbogen auf den Tisch. Er trug einen Siegelring und ein Gliederarmband, beide aus massivem Gold.
»Was hältst du von einem kleinen Quiz?«
Mark erkannte auf einmal die Frisur des Gerichtsmediziners wieder: Es war eine exakte David-Bowie-Kopie, aus der Diamond Dogs -Periode.
»Was gibt’s zu gewinnen?«, fragte er.
»Wenn du den Test bestehst, darfst du fragen, was du willst.« »Über den Fall Reverdi?«
»Soweit ich Bescheid weiß. Keine Zensur.«
In Sachen Musik konnte Mark niemand so leicht das Wasserreichen. Zwar hatte ihn das Klavier seinerzeit im Stich gelassen, doch seine erste Leidenschaft hatte er nie vergessen. Und obwohl sein Fachgebiet die Klassik war, kannte er sich auch in der Welt des Rock’n’Roll sehr gut aus.
Er leerte sein Bier auf einen Zug und sagte: »Ich warte auf deine Fragen.«Alang ließ nichts aus. Die Ursache der verschiedenfarbigen Augen von David Bowie? Eine Rauferei auf dem Schulhof, von der eine Lähmung der linken Pupille zurückblieb. Der Name des Soulsängers, der nach einem Sturz von der Bühne Pastor wurde, weil er darin ein Zeichen Gottes erkannte? Al Green. Der Name des Musikers, der sich einer berühmten Band aufgedrängt hatte, indem er mitten im Konzert den Perkussionisten von der Bühne warf und seinen Platz einnahm? Keith Moon, der legendäre Schlagzeuger von The Who …Zwei Stunden später traten sie in die schwüle Nacht hinaus. Mark schwankte. Seinen Teller hatte er nicht angerührt. Von den vielen Bieren, Alangs Fragen, der Nähe der Prostituierten glühte sein Kopf.
Auf dem Gehsteig stand ein Indonesier mit erloschenem Blick und verteilte Prospekte. Mark dachte zuerst an Reklame für einen Pizzadienst, doch als er sich den Zettel näher ansah, las er MISTER RAYMOND, und darunter stand: »Mädchen aller Art«. Telefonisch zu bestellen.
»Komm«, sagte Alang, nahm ihm den Zettel aus der Hand und warf ihn fort. »Ich weiß was viel Besseres.«
Sie stiegen in Alangs Wagen und fuhren durch Neubaugebiete in unterschiedlichen Stadien der Fertigstellung, bogen schließlich in eine schmale Gasse ein und hielten vor der roten Leuchtschrift »El Ni?o«. Auch in seinem angesäuselten Zustand war sich Mark der Absurdität seiner Lage bewusst. Anscheinend sollte die zweite Quizrunde in einer mexikanischen Bar stattfinden. Mitten in der Hauptstadt von Malaysia.
Mark hielt sein Versprechen: Er war tatsächlich unschlagbar. Welcher Destroy-Sänger hatte mit dem Wahlspruch »Apocalypse Now« für das Amt des Bürgermeisters von San Francisco kandidiert? Jello Biafra, Bandleader der Dead Kennedys. Welcher Komponist forderte Geldbußen von seinen Musikern, wenn sie einen falschen Ton spielten? James Brown. Welcher Künstler wäre als Kind beinahe erstickt, als ihn ein Einbrecher angriff? Marilyn Manson. Um zwei Uhr morgens, nach mehreren Tequilas, versuchte Mark auf das Thema zurückzukommen, dessentwegen er eigentlich hier war. Doch Alang gab keine Antwort, sondern musterte mit Kennermiene die als Mexikanerinnen verkleideten, neben den Flaschen dösenden kleinen Filippinas. Aus den Lautsprecherboxen dröhnte eine Mariachi-Version von Hey Joe!, gesungen von Willy deVille.
»Weißt du zufällig den Beruf seiner Frau?«, fragte Alang.
»Ich meine: Willys Frau?«
»Hexe. Eine Voodoo-Hexe. In Louisiana.«
Der Gerichtsmediziner hob sein Glas.
»Echt, Mann, du gefällst mir.«
»Jetzt reden wir von Jacques Reverdi.«
»Geduld, Mann! Wir haben doch noch die ganze Nacht vor uns.«
Die nächste Station war eine verrauchte Jazzkneipe. Die Lichter spiegelten sich im schwarzen Lack eines Flügels, in der gelblich-braunen Lasur eines Kontrabasses, dazwischen bewegten sich Tupfer in Rot – die Kleider chinesischer Huren –, und Mark begann sich zu fragen, was für einer dieser Alang eigentlich war. Warum musste er die ganze Nacht mit ihm verbringen? Er begann ihm schon homosexuelle Absichten zu unterstellen … »Erinnerst du dich an Peter Hammill?«, fragte ihn der Gerichtsmediziner direkt ins Ohr.
Mark war am Ende seiner Kraft, doch er nickte: Hammill war der Bandleader einer Kultband aus den sechziger Jahren, Van der Graaf Generator. Ein einzigartiger Singer-Songwriter mit einer Stimme, die einem durch Mark und Bein ging, genannt der »Jimi Hendrix der Stimme«.
»Kennst du seine Soloalben? Die er nach der Trennung von der Band aufgenommen hat?«
Mark antwortete nicht mehr, doch Alang ließ ihm keine Ruhe:
»Da geht es immer nur um eines,
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